Der Zug, der Druck, die Droge

■ Eine Ausstellung in der Wandelhalle zeigt Junkies von ihrer schönen Seite

Mit den Drogen ist das so eine Sache. Lange ists her, dass Vertreter von „Legalize it“ damit eine umfassende Entkriminalisierung des Konsums und Verkaufs von allen möglichen Substanzen im Sinn hatten, mit denen man seine sinnliche Wahrnehmung aus der Norm bringen kann. Inzwischen ist das Heft fest in den Händen der Hanf-Freunde, die auch dieses Jahr wieder drei Tage lang ihre Lieblingssubstanz feiern. Aus der antiquierten Hanf-Parade wird dieses Wochenende gar ein Hanf-Move, total up to date und ungefähr so brav wie der G-Move.

Die Legalisierung anderer Drogen hat keine Lobby mehr. Daran sind die Hanf-Fans nicht unbeteiligt: Um Öffentlichkeit und Gesetz von der Unbedenklichkeit des Haschischkonsums zu überzeugen, wurde nicht selten zum Vergleich die süchtig, krank- und totmachende Wirkung anderer Drogen beschworen. Zusätzliche Evidenz bekommt dies Argument durch das Bild schlurfender Verelendung, wie es sich einem zum Beispiel am Hauptbahnhof bietet. In seinen Figuren meinen die BetrachterInnen flugs einen ausschweifenden Drogenkonsum zu erkennen.

Die Ausstellung Models - (K)eine Zeit für Eitelkeit, derzeit in der Wandelhalle des Hauptbahnhofs zu sehen, stellt diese Wahrnehmungsmuster auf den Kopf. Im Stil von „Vorher-Nachher“-Features hat der Fotograf Michael Reh eine Reihe von KonsumentInnen sogenannter harter Drogen abgelichtet. Je ein Foto zeigt die Models in ihrer alltäglichen Verfassung, für ein weiteres wurden ihnen alle Möglichkeiten von Make-up und Styling geboten. Die so entstandenen Porträts hängen nun auf großen Stoffbahnen jeweils nebeneinander, ein Vexierbild für die Überzeugung, Drogensüchtige könne man auf den ersten Blick als solche auch identifizieren.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass nicht schon vor einigen Jahren, als die Modefotografie ihre Models wie Junks aussehen ließ, jemand auf die Idee gekommen ist, die beiden Seiten der Gegensatzpaarkonstruktion umzudrehen. Jetzt sieht einen aus den Porträts die Idee an, es könnte vielmehr die soziale Stigmatisierung der KonsumentInnen und der durch Kriminalisierung in die Höhe getriebene Preis der Droge sein, der Junks aussehen lässt wie eben Junks aussehen, dreckig und bleich und krank. Erahnt werden darf, dass es eine weit größere Anzahl von Leuten gibt, die regelmäßig andere Drogen nehmen als Alkohol, nur dass es ihrem ausgeschlafenen, sauber gebadeten und sorgsam geschminkten Äußeren nicht anzumerken ist.

Dass ausgerechnet die Deutsche Bahn – bekannt für die Vertreibung all derer, die für eine Belästigung der Kundschaft gehalten werden – in ihren Hallen zumindest die optische Präsenz von Junkies zulässt, ist vor allem der Hartnäckigkeit der Veranstalter geschuldet. Das von der niedrigschwelligen Hamburger Drogeneinrichtung Subway e.V. initiierte Projekt soll noch in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und in New York zu sehen sein. Vorerst macht es eine weitere Station im Altonaer Bahnhof.

Christiane Müller-Lobeck

noch bis zum 16.7. im Hauptbahnhof; 19. bis 30. Juli Bahnhof Altona