Geld oder Leben oder Natur oder was

■ Berichte zur Novellierung des Nationalparkgesetzes Wattenmeer liegen vor / Der niedersächsische Landtag muss nun entscheiden

„Konsensgespräche“ sollten es sein, mit denen der Abgesandte des niedersächsischen Umweltministeriums, Heinz Davidson, alle Beteiligten vor dem Gang zum Gericht abhalten wollte. Fischer, Insel- und Küstengemeinden, Jäger, Segler, Naturschutzverbände, alle wollten und sollten mitreden bei der Novellierung des gerade mal ein Jahr alten Nationalparkgesetzes Wattenmeer. Das war so schlecht, dass dem Land Klagen von allen Seiten drohten. Dies zu verhindern, war der Auftrag von Davidson.

„Das waren keine Konsensgespräche, das waren Nonsensgespräche.“ Manfred Knake, Sprecher der regionalen Konferenz der Natur- und Umweltschutzverbände Ost-Friesland ist bekannt für seine pointierten und aggressiven Äußerungen. Die Konferenz ist mit der Bremer Aktionskonferenz Nordsee im Landesverband der Bürgerini-tiativen Umweltschutz (LBU) organisiert. Der LBU hat gestern die Vorlage des Umweltministeriums zur Gesetzesnovellierung für den Landtag in einer offiziellen Stellungnahme bewertet. „Grundsätzlich ist es richtig, den Nationalpark Wattenmeer durch ein Gesetz zu schützen. Aber der Davidson-Vorschlag schützt harten Tourismus und die Wirtschaft vor dem bösen Wattenmeer“, kommentiert Andreas Bieg, Sprecher des LBU / Hannover gegenüber der taz.

Die LBU-Liste der beanstandeten Davidson-Vorschläge ist lang. „Ruhezonen sind laut Gesetz streng geschützt. Es wäre internationaler Standard diese Ruhezonen im Nationalpark auszuweiten und auf mindestens 75 Prozent des gesamten Nationalparkes zu erhöhen. Statt eines qualifizierten Schutzes trickst das Umweltministerium“, meint Bieg. Ein Beispiel: Die Emsmündung, der Dollart, soll zwar in den Nationalpark neu aufgenommen werden, aber nicht als streng geschützte Ruhezone. Der Haken: Schon jetzt ist der Dollart als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Würde er nicht als Ruhezone in den Nationalpark einziehen, sondern nur als Zwischen- oder Erholungszone, wäre er weniger geschützt als bisher. Dahinter könnte Absicht ste-cken, denn erstens ist der Dollart gebeutelt vom zukünftigen Ems-Sperrwerk der Papenburger Meyer-Werft, zweitens liegen in ihm mindestens zwei hochrangige Vogelschutzgebiete. Eins davon wird vom Bau des größten europäischen Windparkes bei Emden in Mitleidenschaft gezogen. Den Schutzstatus des Dollart zu senken, wäre eine vorbeugende Maßnahme, unliebsamen Klagen von lokalen Umweltschützern aus dem Weg zu gehen.

Ein weiterer Streitpunkt: Golf- und Flugplätze auf den Inseln. Alle Inseln wollen putten. Norderney möchte seinen Golfplatz erweitern. Alle dafür benötigten Flächen liegen jetzt im Nationalpark. „Wir gehen davon aus, dass das neue Gesetz so ungefähr dem jetzt vorliegenden Davidson-Vorschlag entspricht. Da wird es wohl schon Zusagen gegeben haben“, schätzt Beate Claus von WWF-Bremen die Lage resigniert ein. Es darf also gebaut werden.

Andere Idyllen wurden schlichtweg vergessen. Bei Bensersiel hat sich in einem ungenutzten Bereich des minder geschützten Nationalparkes eine Seeregenpfeiferkolonie angesiedelt. Zehn von 40 in Ostfriesland brütenden Paaren leben dort. Der Davidson-Bericht verweigert der Ecke den Schutz einer Ruhezone.

Gänzlich kapituliert hat laut LBU das Umweltministerium vor den Fischern und Jägern. „Nach dem Motto: Die spinnen, die Umweltverbände, haben die Fischer es geschafft, Einschränkungen für sich im Nationalpark weitgehend zu verhindern“, meint Andreas Bieg vom LBU.

Fazit: Wird aus der Davidson-Vorlage Gesetz, klagt zumindest der LBU. Werden zugunsten des Naturschutzes Einschränkungen gemacht, klagen alle anderen.

Thomas Schumacher