Neue Müllgebühren landen in der Tonne

■ Das Oberverwaltungsgericht definiert Müllgerechtigkeit anders als das Verwaltungsgericht: 3.000 Widersprüche gegen die Bremer Müllgebühren dürften damit nun hinfällig sein

Neue Müllgebühren – die Idee, die noch im Dezember in der Luft lag, ist gestern vorerst geplatzt. Damals fand das Verwaltungsgericht im Fall Erika J. Ungerechtigkeiten im Bremer Müllsystem, das die Vermeidung nicht genug fördere. Woraufhin rund 3.000 neue Widersprüche gegen den aktuellen Müllbescheid der Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) eingingen. Gestern entschied das Oberverwaltungsgericht anders: Erika J. samt 3.000 Müll-Protestler können nun ihre Hoffnung auf ein neues Müllsystem begraben.

Viel zu viel hat Erika J. für die Müllabfuhr bezahlt – für Leerungen, die sie gar nicht brauchte. Genau sieben Mal stellte die Klägerin im Jahr die graue Restmülltonne vor die Tür. Dabei stehen ihrem Ein-Personen-Haushalt 17 Leerungen für die Grundgebühr zu – zehn mehr als die eifrige Müll-Trennerin und mit ihr ein ganzer Batzen von Single-Haushalten eigentlich brauchen. Während ein Mehrpersonen-Haushalt mit 20 Leerungen auskommen muss. Unverhältnismäßig, fand Erika J und klagte 1996 und 1997: Müllvermeidung würde dadurch nicht gefördert.

Denn Müllvermeidung steht im Landesgesetz. Und darauf stützte sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil im Dezember. „Die Gebührenordnung kann aber nicht allein auf Lenkungswirkung basieren“, erklärte dagegen das Oberverwaltungsgericht gestern, nachdem die BEB in Berufung ging.

Denn im Landesgesetz steht auch, dass für ordnungsgemäße Abfuhr gesorgt werden muss. Bei einem anderen Müllsystem würde Insa Nanninga als Vertreterin der BEB aber die Felle schwimmen sehen: Wenn jede Leerung extra bezahlt werden müsste, „wird der Müll eben auf andere Weise ent-sorgt.“ Nur nicht mehr über die Restmülltonne. Die Extra-Kosten für das Rausfischen aus der Weser, das Entmüllen der Grünstreifen würde die BEB tragen müssen und keinen Pfennig vom Verbraucher dafür kriegen. Außerdem zahle Erika J. mit ihren Gebühren ja nicht nur für die Restmüllabfuhr, sondern trage damit auch die Kosten für Müllverbrennung und Biomüll, Glas- und Altpapierentsorgung, argumentiert die BEB.

Aber dann geht es ans Eingemachte: den Müll. Umgerechnet in Liter, Mark und Pfennig und Abfuhrtermine klingt das Bremer Sys-tem für Richter Günter Pottschmidt nicht ganz so ungerecht. Die Restmüllmenge sei „deutlich zurückgegangen“. Und beim Gelben Sack würde Bremen bundesweit einen Spitzenplatz einnehmen. „Das heißt unsere Gebührenstruktur muss positive Signale gesetzt haben“, lobte Nanninga.

Zwar klingen 17 Leerungen für Single-Haushalte verhältnismäßig viel – kleingerechnet kommt die BEB aber auf ganz andere Werte: Denn für die Kostenkalkulation der Single-Haushalte wurden nur 13 Leerungen gerechnet. Vier Leerung gab es gratis jedes Jahr von der BEB dazu – aus hygienischen Gründen, erklärt Nanninga. Um nicht ganz starr nur alle vier Wochen eine Leerung anzubieten. Diese Kostenkalkulation habe sich auch nicht nach der linearen Preiserhöhung im Juli 1997 verändert. So dass – gebührentechnisch – die 13 berechneten Leerungen der Single-Haushalte deutlich unter den 20 Abfuhren der Mehrpersonenhaushalte liegen.

Für das Oberverwaltungsgericht schien diese Argumentation schlüssig. Der Berufung der BEB wurde stattgegeben, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufgehoben. Die BEB war entsprechend erleichtert – ein anderes Urteil hätte „wahnsinnige Folgen gehabt“, erklärte Nanninga. So werden die 3.000 Folge-Widersprüche vermutlich hinfällig.

Erika J. aber hat die Nase voll vom System: In Zukunft steckt sie einfach alles in die graue Tonne. „Den weiten Weg für Mülltrennung, den spar ich mir jetzt.“ pipe