Erschreckendes Unwissen über Prävention

Aufklärungskampagnen greifen in Afrika noch immer sehr langsam. Die Möglichkeit, einen HIV-Test zu machen, besteht auf dem Lande kaum

DURBAN taz ■ Es ist das Lächeln, das Gideon Byamugisha sympathisch macht. Und vielleicht auch die Bescheidenheit, mit der er seine Geschichte erzählt. Wie sich sein Leben vor fünf Jahren verändert hat, als seine erste Frau starb. Wie er hinterher erfuhr, dass sie Aids und er das Virus ebenfalls im Blut hatte. Wie er sich entschied, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. „Das war hart“, sagt er, noch immer lächelnd. Gideon Byamugisha ist jung, Afrikaner und außerdem Priester – die besten Voraussetzungen, um über seinen Status zu schweigen. Er entschied sich trotzdem anders. Das war 1995. Heute gehört er zu den bekanntesten Aids-Aktivisten in Uganda.

Auf der 13. Welt-Aids-Konferenz in Durban waren es Leute wie er, die neue Akzente setzten. Erstmals fand die Tagung in Afrika statt, dem Kontinent, dem nach neuen Zahlen eine Katastrophe bevorsteht, die jede Vorstellungskraft übersteigt. Doch gerade Afrika tut sich noch immer schwer mit dem Motto der Konferenz: „Das Schweigen brechen.“ Und noch immer gelten Uganda und neuerdings auch das westafrikanische Senegal als die einzigen hoffnungsvollen Ausnahmen in der Aidsbekämpfung. Auf der diesjährigen Konferenz waren zwar so viele Delegierte aus Afrika wie nie zuvor. Fast übereinstimmend berichteten sie jedoch von den Schwierigkeiten, Tabus zu brechen und über die Mittel zu sprechen, die dem Kontinent am Ende vorerst bleiben: Aufklärung und Prävention mit Kondomen.

Doch worin besteht der Schlüssel zum Erfolg des ugandischen Modells? „Wir haben früher als alle anderen afrikanischen Staaten erkannt, dass Aids ein Problem ist“, sagt Rubarima Ruranga, ein bekennender HIV-Infizierter. Schon vor 15 Jahren erkannte Ugandas Präsident Yoweri Museveni die Gefährlichkeit des Virus – zu einem Zeitpunkt, als alle anderen afrikanischen Staaten Aids noch für eine unafrikanische Perversion hielten. Die ugandische Regierung indes stellte ein Programm auf, das gemeinsam mit den Kirchen die Bekämpfung von Aids zu einer nationalen Aufgabe machte. Es sah nicht nur die klassischen Mittel Aufklärung und Prävention vor. Als erstes Land in Afrika setzte Uganda in einem Versuch auch das Medikament Viramune ein.

In fast allen anderen afrikanischen Staaten wird für die Gesundheitsversorgung meist nur ein Bruchteil der staatlichen Ausgaben verwendet. „Unseren Regierungen fehlt doch schlicht der politische Wille, die Aidskatastrophe anzugehen“, sagt Dora S., eine Krankenschwester aus Sambia. Seit Jahren behandelt sie Aidspatienten in Lusaka. „Am Ende können wir kaum etwas tun, solange unsere Regierung nicht endlich ein Programm zur Aidsbekämpfung verabschiedet.“

Selbst in Südafrika, dem reichsten Land mit der besten medizinischen Infrastruktur auf dem Kontinent, hapert es am politischen Willen. Statt dem Problem Aids höchste Priorität zu verleihen, liebäugelt Thabo Mbeki, Präsident des Landes mit der weltweit höchsten Zahl von Infizierten, mit den überholten Thesen der „Aidsdissidenten“, die die Lehrmeinung vom Zusammenhang zwischen HIV und Aids in Frage stellen. Auch in Simbabwe, wo 25 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infiziert sind und in dem es ganze Dörfer gibt, wo nur noch Kinder und Alte leben, sucht man vergebens nach Anzeichen, dass sich die Regierung dem Problem stellt.

Auch Aufklärungskampagnen greifen in Afrika noch immer sehr langsam, und die Möglichkeit, überhaupt HIV-Tests durchführen zu lassen, besteht auf dem Lande kaum. Gleichzeitig ist vor allem unter Jugendlichen der Wissensstand noch immer erschreckend niedrig. Dem jüngsten Unicef-Bericht zufolge trifft das vor allem für junge Mädchen zu, der am meisten gefährdeten Gruppe überhaupt: In Mosambik wissen drei von vier, in Niger und Tschad zwei von drei, in Tansania jedes zweite Mädchen nichts über Prävention mit Kondomen. Deren Gebrauch aber ist vorläufig noch immer der einzig wirksame Schutz vor dem tödlichen Virus.

KORDULA DOERFLER