piwik no script img

Auf der Farm dürfen Kinder sein – einfach so

■ Immer mehr Stadtteile wollen eine „Jugendfarm“ / Besuch der Oase Habenhausen

Das Pferd heißt „Fanta“, sagt Janina, sie streichelt es nur so. „Nur so“ – denn Janina wohnt ein paar hundert Meter weiter und ist einfach mal au die „Jugendfarm“ gekommen. Da kann man das, ohne Reitstunde, ohne von den Eltern hingebracht und abgeholt werden zu müssen. Ein Stück weiter hämmern zwei Mädchen an einem Floß, neben dem Teich mit den Enten. Jungen haben eine Schaukel in dem Baum installiert, auf einer wankenden, weil selbstgebauten Holz-Hütte wird auch gehämmert. Einfach so. Der Himmel ist bedeckt, das stört nicht. Sind es 50 oder 80 Kinder, die auf dem weitläufigen Gelände der Jugendfarm sich selbst beschäftigen? So genau weiß man das nicht, überall wuselt es und alle tun hier dinge, die sie zu Hause in den eintönigen Wohnstraßen nicht könnten, die für die Autos da sind und nicht für die Kinder. Ein Fußball fliegt ins Gemüsebeet – „Rasen nicht betreten“ gibt es hier nicht.

„Wir sind für ein Jahr im Voraus ausgebucht“, sagt Hayo Hoffmann, der zusammen mit Susanne Molis die Farm leitet. „Buchen“ müssen nicht einzelne Kinder, es gibt sogar „Stammis“, die fast jeden Tag da sind. Buchen müssen Gruppen, und bei Schulklassen ist der Farm-Besuch höchst begehrt. Drei Mark pro Nase zahlen die Klassen dafür, dass sie hier Futter mitbringen dürfen, die Tiere Füttern und die Ställe ausmisten dürfen. Auch „Backen“ im Steinofen ist im Angebot. Nachmittags bietet Gisela Christof, eine von fünf oder sechs ABM-Kräften, Reiten an, auch heilpädagogisches Reiten. Sieben Ponys und drei Esel gehören derzeit zur Farm, und Familien und Firmen haben die Chance, eine Patenschaft für eines der Tiere zu übernehmen. Für ein Pony kostet das 3000 Mark im Jahr, und die Disco „Supermix“ hat sofort zugesagt. De Schlachter Rasch hat die Patenschaft für ein Hängebauchschwein, das kostet 500 Mark im Jahr, aber in die Wurst soll es nicht. Eine ganze Seite lang ist die Sponsorenliste, ohne die könnte die Farm nicht existieren. „Parteiübergreifend“ sei die Hilfe, freut sich Hoffmann. Die CDU macht sogar ein Parteifest auf der Farm – und zahlt dafür Miete in den Topf. Von 365.000 Mark Jahrestat bekommt die Farm nur 165.000 Mark direkt vom Sozialressort, 200.000 Mark müssen anders gesammelt werden. die Jugendfarm setzt dabei auf ein verblüffendes Prinzip: Die Türe stehen allen Eintritt wird nicht genommen, hier scheint alles selbstorganisiert und umsonst, sogar eine paar Kaffeekannen stehen jeden Nachmittag herum. Daneben ein großes Sparschwein, in dem wahrscheinlich am Ende des Nachmittags mehr drin ist als eine Kellnerin kassieren könnte.

Seit einem Jahr gibt es neben der Krabbelgruppe auch einen richtigen Bauwagen mit einer Gruppe „Farmkindergarten“. „Wenn es zu viel regnet, gehen die in den Ponystall“, hat Farm-Leiter Hoffmann beobachtet. Der Farmkindergarten hat hier sein Gemüsebeet und seine Kaninchen. Der Kita-Bauwagen heißt „Paulchen“ und neun Meter weiter stinkt in „Villa Hängis“ das Hängebauchschwein vor sich hin.

Jüngste Errungenschaft der Farm ist die neue Jugend-Container. Der steht außerhalb, weil viele Lehrlinge sind und erst am späten Nachmittag kommen, wenn das Tor der Farm geschlossen wird. Die Jugendlichen haben ihre Unterkunft gebaut, sie notieren Mitgliedschaften und haben ihren selbst verantworteten Platz am Rande der Kinder- und Jugendfarm – ein Stück weg von dem nächsten Einfamilienhaus. „Das ist wie eine Oase hier“, schwärmt Gisela Christof, rundherum nur Kinder-Gewusel. Fast kann man den permanenten Autokrach vergessen, der durch das dichte Buschwerk dringt. K.W.

P.S.: Auch zahlende „Mitglieder“ eines Farmvereins tragen zur Finanzierung bei. In einem Wettbewerb wird derzeit auf das 500-ste Mitglied hin geworben. Und unter den Neu-Mitgliedern wird im September ein Spanferkel-Essen für 20 Personen, gespendet vom Schlachter Rasch, ausgelost.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen