Funktionär wird privat

MDR-Fernsehdirektor Henning Röhl verlässt den Sender. Über die Motive wird spekuliert

Bevor er demnächst das Seniorenstadium erreicht, will MDR-Fernsehdirektor Hennig Röhl noch einmal etwas Neues machen. Der 57jährige verlängert seinen 2001 auslaufenden Vertrag nicht, über den Zielort seines Wechsels wird bisher nur heftig spekuliert. Seine Untergebenen erzählen sich, dass er zur Kirchgruppe geht. Der MDR pflegt schließlich beste Beziehungen mit dem Münchner Medienimperium; beide betreiben eine gemeinsame Tochtergesellschaft.

Röhl war bislang ein öffentlich-rechtlicher Musterfunktionär. Er begann beim Südwestfunk, später wurde er Chef des NDR-Landesfunkhauses in Schleswig-Holstein, von dort wechselte er an die Spitze der „Tagesschau“. 1991 ging er dann zum MDR. „Zehn Jahre sind genug“ lässt er sich zitieren, über den Lockruf der Privaten gibt er keine Auskunft.

Der norddeutsche Pastorensohn soll weitläufig mit der Kirchfamilie verwandt sein, doch auch das sind nur Flur-Gerüchte. Harte Nachrichten sind aus den MDR-Chefetagen derzeit nicht zu bekommen, erst soll die Röhl-Nachfolge geklärt werden. Ungeordnete Verhältnisse sind dem Sender peinlich; in diesem Punkt treffen sich die aus dem Westen stammende Führung und die Ost-Belegschaft - beide hängen am Status Quo.

Mit Röhl wusste man, wen man hat. Er gilt als dominanter Mensch und als wenig inspirierend. Manche nennen ihn auch unfähig - aber das sehr effektiv. Das Urteil, er sei kein Macher, höchstens ein Verwalter, klingt da fast schon wie ein Lob. Im Frühjahr rückte er allerdings kurz ins Rampenlicht. Der „Spiegel“ hatte in einem spottfreudigen Artikel das gesamte MDR-Programm als “nostalgisch“, „provinziell“ und „zonig“ angegriffen. Es werde „geschunkelt und gejodelt, bis der Kassenarzt kommt.“ Das Publikum in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt fand das nicht sehr lustig, empörte Zuschauer füllten Leserbriefseiten, eine eigene Telefonhotline wurde eingerichtet, der Autor zum Tribunal eingeladen. Fernsehdirektor Henning Röhl reagierte ebenfalls humorlos, wetterte in einem Zeitungsartikel über „einäugige Kritiker“ und „Hanseaten im Armani-Zwirn“.

Mit drolligem Heimat-TV macht der MDR Quote, die viertgrößte ARD-Anstalt erreicht einen Marktanteil von 9,2 Prozent und ist damit das erfolgreichste dritte Programm. Geradezu aufdringlich wird das „Wir-Gefühl“ der Ex-DDR-Bürger bedient. Röhl verweist lakonisch auf die “Zuschauerbedürfnisse“. Mit diesem Minimalanspruch ließe es sich im Reich der Privatfunker sicher leben. MANUELA THIEME