kabolzschüsse
: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Polo

Um Polo auf der Rangliste der populären Ballsportarten auszumachen, ist eine dicke Lupe nötig. Polo ist so klitzeklein gedruckt, weil die Gesellschaft nicht mehr das ist, was sie mal war. Der Pferdesport war einst der Sport der Könige. Eine Spezies, die hier zu Lande ausgestorben ist.

Auf den Turnieren in Deutschland tummeln sich nur noch ein paar mittelständische Blaublüter. Gräfin Cosima zu Habsburg-Lothringen trifft Fürst Karl zu Castell-Castell, Tini Gräfin Rothkirch freut sich auf ein Wiedersehen mit Friedrich Graf von der Asseburg. Und auch einen Edeladeligen wie den Herrn Graf von Stollberg zu Wernigerode oder die Prinzessin von Sachsen durchfließt es nur hellblau. Angesichts der Fülle adeligen Fleisches geht es recht manierlich zu. Ist der Ruf erst ruiniert, wird wieder sittsam uriniert. Es grüßt der Welfenprinz.

Gutes Benehmen ist anderswo garantiert. Zum Beispiel in England. Die Insel wartet noch mit einer konstitutionellen Monarchie auf. Somit findet Polo dort den saftigen Nährboden, um üppig zu vegetieren. Die Queen eröffnet regelmäßig das Vorabenddinner zu großen Wettkämpfen. Prinz Charles schwingt sich aufs Pferd und anschließend den Polostick. Turniere in Berlin, die auf dem Maifeld neben dem Olympiastadion ausgetragen werden, müssen dagegen auf mindere Hoheiten zurückgreifen. Zur Eröffnung darf etwa Maximiliano Gregorio-Cernadas ran, Botschaftsrat der Republik Argentinien. Ist aber auch nicht schlecht, da Polo in den Weiten der argentinischen Pampa zu Hause ist. Die Pferde, falsch: die Ponies, eine Kreuzung aus südamerikanischer Landrasse und Vollblütern, kommen fast alle aus Südamerika.

Die Grundidee des Spiels: Zwei Mannschaften mit jeweils vier Spielern versuchen, auf Pferden reitend einen Ball mit Bambusschlägern ins Tor zu treiben. Dazu haben sie vier mal sieben Minuten Zeit. Belassen wir es bei dieser simplen Regelkunde. Denn: Je tiefer man sich ins Gelände vorwagt, desto morastiger wird es. Nur dies noch: Jeder Spieler hat ein persönliches Handicap. „Wie im Golf, nur umgekehrt“, erklärt ein Spieler. Eine Kommission des Deutschen Polo-Verbands (DPV) stuft die Reiter ein. „Die am meisten Gehandicapten sind bei uns die Besten“, heißt es.

Ein Poloturnier ist im Grunde eine Messe der Morganaten von Morgen. Heiratsvermittler versuchen Geplänkel zwischen dem adeligen Spross und der bürgerlichen Jungdame anzubahnen (das wäre dann nicht standesgemäß und somit laut Fremdwörter-Duden „morganatisch“, d. Red.). Und natürlich ist Polo auch eine Leistungsschau hochwertiger und teurer Markenartikel. Angefangen bei Autos (Jaguar) über Accessoires (Glashütte) und Immobilien (Havel-Auen Werder) endet sie irgendwo zwischen Pommery und Lachshäppchen in der Celebrity-Lounge, wo das Neue Berlin das Treiben goutiert.

Platzsprecher Reiner Drews hat alle Mühe, den schicken Schmocks einen nearside backhander under the neck oder off side tail shot nahezubringen. Er weiß deshalb: „Ohne einen guten Speaker läuft wenig beim Polo.“ Nach einer Spielpause schickt er die Zuschauer aufs Feld. Rasen glatt treten. „Wir sind schließlich nicht in Wimbledon“, sagt er. Alle Teams tragen Namen von Sponsoren, ob Russkij Berlin oder Shark Club. In und um Berlin preschen Spieler des Berliner Polo-Clubs und des PC Berlin-Brandenburg übers Grün.

Der Sport ist alt. Entstanden ist er vor über 2.500 Jahren in den Steppen der Mongolei. „Angeblich sollen die Steppenvölker Ratten aufgespießt haben, später nahmen sie einen Ball“, so mutmaßt man. In Persien erzogen dann die Sassaniden ihre Prinzessinnen mit Polo. Die Engländer sahen im 19. Jahrhundert in Indien den Sport. 1871 traten südwestlich von London zwei englische Tradi- tionsregimenter zum ersten Wettspiel an. Viermal war Polo olympisch, zwischen 1908 und 1936.

„Schickimicki hin und her, Polo ist kein Sport der oberen Zehntausend, das ist absoluter Blödsinn“, insistieren Polo-Spieler. „Polo kann jeder spielen, man muss sich nur ein Pferd kaufen.“

Ein sehr gutes Polo-Pony kostet übrigens 50.000 Mark. Drei Stück braucht man. Peanuts.

MARKUS VÖLKER Auf der Außenseiterskala von null bis zwölf: 1 Punkt