mutter muss in den katzenknast
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von RALF SOTSCHECK

Rosa wirkt äußerlich recht normal. Ihre Katze Sukie ebenfalls. Doch wenn man Rosa glauben kann, wozu freilich kein Anlass besteht, dann handelt es sich bei Sukie um die Reinkarnation ihrer Mutter. Rosa stammt aus Dublin, in den vergangenen vierzig Jahren hat sie in New York für eine bekannte europäische Fluglinie gearbeitet. Seit 1994 teilte sie ihr winziges Appartment in Manhattan mit ihrer Mutter, die zum Glück nicht viel Platz benötigte, weil sie ja die Form einer Katze angenommen hat. Nun ist Rosa jedoch pensioniert worden und will zurück nach Dublin.

Wie aber bekommt man eine Mutter, die für andere Menschen nur eine Katze ist, unbehelligt ins Land? Großbritannien und Irland haben strenge Vorschriften, was die Einfuhr von Tieren angeht, denn aus dem Ausland kommen Tollwut und alle möglichen anderen Garstigkeiten. Für ein Land, das der Welt den Rinderwahnsinn geschenkt hat, sind die britischen Einfuhrbestimmungen für Viecher erstaunlich penibel.

Und Schmuggeln? Wir schlugen vor, die Katze nach Frankreich einzufliegen und von dort mit dem Auto weiterzureisen. Kurz vor Calais könnte man Sukie betäuben lassen und sie im Kofferraum nach England schmuggeln. Die Weiterfahrt nach Irland wäre dann kein Problem, da Tiere aus Britannien nicht beanstandet werden. „Sie könnte in Dover entdeckt werden“, meinte Rosa. „Dann wird sie eingeschläfert“, antworteten wir wahrheitsgemäß, und damit war das Thema für Rosa erledigt: „Ich setze doch das Leben meiner Mutter nicht aufs Spiel, ihr herzlosen Barbaren.“

So blieb nur der legale Weg, und das bedeutete: Sechs Monate Quarantäne in einer geschlossenen Katzenanstalt. Rosa hatte sich die Einrichtungen in Dublin angesehen, doch die gefielen ihr nicht: „Mutter würde sich dort nicht wohl fühlen.“ Das schönste Katzenasyl gibt es in Manchester, so fand Rosa heraus. Glücklicherweise lebt Rosas Schwester mit Sohn in Manchester. So kam Rosa bei ihnen unter und hoffte, die Verwandtschaft würde ebenfalls Sukie besuchen, schließlich sei sie ja auch deren Mutter und Oma. Tochter und Enkel winkten jedoch dankend ab.

Der Flug von New York nach Manchester wird dem Bordpersonal noch lange in Erinnerung bleiben, denn Rosa wollte mit dem Katzenkorb auf dem Schoß reisen, was die Stewardess verbot und sich fragen lassen musste, ob sie mit ihrer eigenen Mutter auch so umgehen würde. Als die Maschine endlich in Manchester landete, war Sukie weg. Rosa wurde auf der Stelle hysterisch. Die Beamtin, die das Tier in Gewahrsam nehmen und ins Heim schaffen sollte, wurde ebenfalls nervös, weil man sie möglicherweise für Britanniens Untergang verantwortlich machen würde. Nach mehreren Stunden fand man das Tier in einer Lagerhalle, in der sie versehentlich abgestellt worden war.

Nun ist Sukie im Heim, und Rosa besucht sie täglich. Beide sind schwer traumatisiert: Sukie faucht Rosa an, weil sie im Katzenknast sitzt, und Rosa faucht ihre Schwester an, weil sie sich nicht um die Mutter kümmert. Hoffentlich wird das sechsbeinige Pärchen nicht so bald nach Dublin entlassen.