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: Samaranch wird 80 und ist immer noch IOC-Chef

Altersgrenze wieder erreicht

Wäre Juan Antonio Samaranch vor zwei Jahren 80 geworden, dann hätte er diesen Tag sicher als grandiose olympische Gala inszeniert. Alles, was Rang und Namen hat in Sport, Wirtschaft oder Politik, hätte ihm seine Aufwartung gemacht oder wenigstens wohltönende Glückwünsche übermittelt – die große Abschiedsvorstellung eines erfolgreichen und mächtigen Sportfürsten, der immer mehr sein und vor allem scheinen wollte als der bloße Verwalter einer großen Sportorganisation. Und vielleicht hätte man ihm als kleines Präsent für den Ruhestand ja sogar noch den ersehnten Friedensnobelpreis kredenzt.

Doch der Heiligenschein ist dahin, dem obersten Olympier schnöde vom Haupte gefegt im Zuge des monumentalsten Skandals in der Geschichte des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Die heutige Geburtstagsfeier im Hause Samaranch wird erheblich bescheidener ausfallen und dennoch dürfte der betagte Grande nicht unzufrieden sein mit dem Lauf, den die Dinge schließlich genommen haben. Immerhin steht er nach wie vor an der Spitze des IOC, obwohl es geraume Zeit so ausgesehen hatte, als sollte Samaranch mitsamt seiner Troika in den Fluten der Bestechungsaffäre um Salt Lake City und die Vergabe Olympischer Spiele untergehen. Doch er hat nicht nur das rettende Ufer erreicht, sondern lässt sich in seiner gewohnt unbescheidenen Art längst wieder als Erlöser des IOC von allem Übel feiern.

Wie er seine eigene Haut in Sicherheit brachte und gleichzeitig als Paterfamilias der olympischen Sippschaft die Zügel in der Hand behielt, kann getrost als größte Leistung seiner über 20-jährigen Regentschaft im IOC betrachtet werden. Am 16. Juli 2001 wird er beim Kongress in Moskau abtreten – es sei denn, das Höchstalter für Präsidenten wird ein weiteres Mal erhöht. Ein passender Schauplatz für den letzten Akt der Ära Samaranch, die 1980 just in Moskau begonnen hatte, als er sich das hohe Amt auf nicht ganz feine Art unter Einsatz seiner vielfältigen Beziehungen erschlich. Das Amt des IOC-Präsidenten sei nunmehr käuflich, wurde damals unter der Hand gemunkelt.

Bezeichnend für den Machtinstinkt des Mannes, der das IOC lange Zeit mit eiserner Hand regierte,Widerspruch nicht duldete, Skandale unter den Teppich kehrte und Olympia durch den Verkauf an Sponsoren und das Fernsehen reich machte, waren die turbulenten Tage im Frühjahr 1999. Das IOC stand unter heftiger weltweiter Kritik, die vor allem einen Tenor hatte: Samaranch ist schuld und muss weg. Doch während die potentiellen Nachfolger inmitten des Krisenmanagements begannen, die Nachfolge unter sich auszubeißen, gelang es dem einstigen Franco-Anhänger erfolgreich, dem olympischen Volk die Erkenntnis nahezubringen, dass die einzige Alternative zu Juan Antonio Samaranch kein anderer als Juan Antonio Samaranch war. Mit 86 : 2 Stimmen wurde ihm beim Krisenkongress das Vertrauen ausgesprochen und sein bemerkenswertester Coup war, dass selbst die Athletenkommission zur erstaunlichen Auffassung kam, dass ein Wandel nur mit Samaranch möglich sei.

Seine bittersten Momente erlebte der IOC-Chef ohne Zweifel beim Dopingkongress im Februar 1999 in Lausanne, als ein Funktionär, Politiker, Sportler oder sonstiges Mitglied seiner geliebten olympischen Familie nach dem anderen aufstand und das IOC samt seinem Präsidenten der moralischen Verworfenheit bezichtigte – eine Majestätsbeleidigung, wie sie im IOC, wo kritische Töne stets als Sakrileg galten, vorher völlig undenkbar war. Doch mit stoischer Gelassenheit ertrug Samaranch auch diese Tortur, denn er wusste, wenn sich alle ihren Kummer von der Seele geredet hätten, käme sein Stunde. Diese schlug beim Erneuerungskongress im November, als dem Ausschluss von ein paar schwarzen Schafen im Frühjahr die Einführung einer Reihe halbherziger Reformen folgte und die Samaranch-Politik auf der ganzen Linie obsiegt hatte.

Der Alte hatte die Kontrolle und am Ende sogar sein maliziös-triumphierendes Lächeln zurückgewonnen. Grund genug für eine, wenn nicht glamouröse, so doch entspannte Geburtstagsfeier im Hause des olympischen Paten, auch wenn es mit dem ersehnten Friedensnobelpreis nichts mehr werden wird.

MATTI LIESKE