Der Kontrolleur im Kosovo

Marek Nowicki soll im Auftrag der UNO Amtsmissbrauch in Priština untersuchen und verhindern

„Mein ganzes Leben spielt sich rund um unsere Warschauer ‚Helsinki-Baracke‘ ab“, erklärte der Menschenrechtler Marek Antoni Nowicki noch 1993 in einem Interview. Inzwischen war der Pole Präsident der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte in Wien, Vorsitzender einer der beiden Kammern im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, und nun wird er für zwei Jahre als Ombudsmann in das Kosovo gehen. „Das ist für mich eine große Herausforderung“, bekennt er gegenüber Journalisten. „Ich werde versuchen, ihr gerecht zu werden. Mir ist klar, dass dies eine schwierige Aufgabe ist, aber nichts, was sich im Kosovo tut, ist einfach.“

Nowicki soll im Kosowo in erster Linie den Vorwüfen auf Amtsmissbrauch nachgehen, mit denen die internationalen und lokalen Behörden immer wieder belastet werden. Darüber hinaus soll er neue Menschenrechtsverletzungen im Kosovo untersuchen, zugleich aber auch die Versöhnung der verfeindeten Volksgruppen in der jugoslawischen Krisenprovinz fördern. Auf den Posten hat ihn Bernard Kouchner berufen, der Sonderbeauftrage des UNO-Generalsekretärs. Er ist überzeugt, dass Nowicki der richtige Mann für diese Aufgabe ist.

Nowicki wurde 1953 in einem Dorf in Ostpolen geboren, er studierte Jura, durfte den Beruf aber über mehrere Jahre nicht ausüben, weil er die regimekritische Gewerkschaft Solidarność unterstützt und beraten hatte. Als Jaruzelski Ende 1981 das Kriegsrecht über Polen verhängte, ging Nowicki in den Untergrund. Ein Jahr gehörte er zu den Mitbegründern des Helsinki-Komitees in Warschau, sammelte Beweise für die Menschenrechtsverletzungen in Polen und stellte Berichte für die Europäischen Menschenrechtskommission in Straßburg zusammen. Der erste große Report über den „Ausnahmeszustand“ in Polen wurde auf abenteuerlichen Wegen nach Madrid geschmuggelt und dort der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit vorgelegt.

1988, als es wieder zu landesweiten Streiks kam, ließ sich Nowicki im verplompten Motor einer Lokomotive auf das Gelände des Bergwerks „Julimanifest“ schmuggeln, um die Arbeiter juristisch zu beraten. Nach der politischen Wende 1989/90 wurde Nowicki zunächst Vorsitzender der polnischen Sektion der Internationalen Komission der Juristen (ICJ) und später Präsident der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte mit Sitz in Wien. 1993 berief ihn das Ministerkomitee des Europarates in Straßburg als Vertreter Polens in die Europäische Menschenrechtskommission.

GABRIELE LESSER