Zahl der BSE-Toten nimmt zu

Im ersten Halbjahr diesen Jahres sind in Großbritannien fast so viele Menschen an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gestorben wie im gesamten vergangenen Jahr. Tausende operativ entfernter Mandeln und Blinddärme sollen nun untersucht werden

von RALF SOTSCHECK

Die Zahl der Menschen, die an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (nvCJK) gestorben sind, ist in diesem Jahr in Großbritannien sprunghaft gestiegen. Im ersten Halbjahr gab es bereits zwölf Opfer, die sich durch den Verzehr BSE-verseuchten Rindfleisches infiziert hatten. Im gesamten vorigen Jahr waren es 14, die Gesamtzahl seit den ersten Fällen 1995 liegt bei 67.

Die britische Regierung hat erst 1996 eingeräumt, dass der Rinderwahnsinn auch auf Menschen übertragen werden kann. Verschiedene Wissenschaftler, die nicht von der Regierung bezahlt werden, hatten das bereits fünf Jahre zuvor für wahrscheinlich gehalten, waren jedoch von ihren beamteten Kollegen als verantwortungslose Panikmacher abqualifiziert worden.

Noch immer wird von offizieller Seite vor allem abgewiegelt. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in London sagte: „Die Zahlen sind höher als zuletzt, aber wir dürfen keine voreiligen Schlüsse aus den Zahlen eines Monats ziehen. Der Trend ist wichtiger, und die BSE-Beratungsbehörde wird die Daten wie immer prüfen. Es ist zu früh, das endgültige Ausmaß der Epidemie vorherzusagen.“ Doch gerade der Trend ist beunruhigend, wenn man die Zahlen anders aufschlüsselt: In den vergangenen zwölf Monaten sind 25 Menschen an nvCJK gestorben, allein seit Anfang Juni waren es 7.

Der Zeitraum zwischen Ausbruch der Krankheit und Tod des Patienten liegt zwischen 7 und 38 Monaten, was auch daran liegen kann, dass in manchen Fällen der Hausarzt oder die Verwandten des Kranken die Symptome anfangs nicht erkannt haben. Bevor die charakteristischen Gleichgewichtsstörungen einsetzen, treten bei den Erkrankten Stimmungsschwankungen und Depressionen auf, viele vernachlässigen ihr Äußeres.

Das CJK-Zentrum berät nun über die neuesten Zahlen, aber man will erst in zwei Wochen bekannt geben, ob für die Öffentlichkeit Grund zur Beunruhigung besteht. Die Behörde für Lebensmittelsicherheit wird im Laufe dieser Woche überprüfen, ob ein Teil der Auflagen, die seit 1988 zur Bekämpfung des Rinderwahnsinns erlassen worden sind, gelockert werden können.

Dagegen spricht, dass vor kurzem ein Rind an BSE gestorben ist, das nach dem 1. August 1996, seit dem kein kontaminiertes Futtermittel mehr verwendet werden darf, geboren war. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn sagte, das bestärke alle, die behaupteten, es gebe weitere Übertragungswege als durch Futtermittel und von der Kuh auf das Kalb gebe. „Wenn dies stimmt, wären die Sicherheitsauflagen der Briten nicht ausreichend, weil sie allein auf diese beiden Übertragungswege abgestellt sind“, sagte Höhn.

Schon vor Jahren haben Forscher bei Versuchen in Island nachgewiesen, dass die BSE-verwandte Schafkrankheit Scrapie durch Milben auf der Weide horizontal von einem Tier auf das andere übertragen werden kann. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es beim Rinderwahnsinn anders ist.

Nachdem ein Experte die vier nvCJK-Todesfälle von 1998 in dem Dorf Queniborough (Grafschaft Leicestershire) mit möglicherweise infizierter Baby- und Schulnahrung in Verbindung gebracht hat, sollen nun alle Schlachthöfe in der Umgebung des Ortes auf ihre Praktiken hin untersucht werden. Außerdem will die Überwachungseinrichtung in Edinburgh alle noch verfügbaren Mandeln und Blinddärme begutachten, die Patienten seit 1985 operativ entfernt wurden. Dabei kann es sich um mehr als 10.000 Organe handeln.