Dein Freund, der Gesundheitsminister

Nicht nur für die Ärzte, auch für die Gesundheitsminister der Länder ist die Abtreibung per Pille ein schlechtes Geschäft. Sie wollen Kassen und Ärztevertreter nun dazu bringen, die Kosten neu zu bewerten – auch ohne Ministerin Fischer

BERLIN taz ■ Mifegyne ist da, doch von Wahlfreiheit für die schwangeren Frauen weiterhin keine Spur. Lediglich 6,1 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche werden in der Bundesrepublik per Abtreibungspille herbeigeführt. Die medikamentöse Abtreibung, argumentieren die Ärzte, rechne sich für sie nicht. Überraschend erhalten sie nun Rückendeckung von den Gesundheitsministern der Länder. Auf Antrag Bremens und Berlins forderten diese den zuständigen Ausschuss auf, „eine Neubewertung der ärztlichen Leistungen vorzunehmen“. Die von den Ländern eingesetzte Arbeitsgruppe will „in Bälde“ eigene Vorschläge vorlegen.

Für den Abbruch per Pille veranschlagen Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) rund 300 Mark. Darin enthalten sind aber bereits 160 Mark für Mifegyne – an der die Ärzte nichts verdienen. Für einen chirurgischen Eingriff erhalten sie dagegen bis zu 700 Mark. Trotz massiver Proteste weigerte sich der Bewertungsausschuss bisher, an dieser Regelung zu rütteln. Durch den Widerstand der Länder könnte sich das nun ändern. Schließlich übernehmen sie die Kosten für einkommensschwache Frauen – immerhin 75 Prozent der Fälle.

Nun ist es nicht etwa so, dass die Länder freiwillig tiefer in die Tasche greifen würden. „Der medikamentöse Abbruch ist zwar für die Länder teurer als der mit Lokalanästhesie, aber immer noch billiger als ein chirurgischer Eingriff unter Narkose“, weiß Pro-Familia-Vertreter Joachim von Baross.

Doch weil sie beim Abbruch per Pille weder Betreuungsaufwand noch die von den Ländern vorgeschriebene Sonderausstattung abrechnen können, greifen die Gynäkologen am Ende lieber zum Messer statt zur Pille – zum Ärger der Gesundheitsminister.

Selbst schuld, findet Jürgen Bausch, Arzneimittelexperte im Vorstand der KBV. „Wenn die Länder die Anforderungen derart hochschrauben, müssen sie auch die Folgen tragen.“ Die Aufregung um das derzeitige Rechenmodell kann er nicht verstehen. „Die Bewertung wird auf Grund des Betreuungsaufwandes vorgenommen – wie bei Haus- oder Kinderärzten auch. Wir können nicht gleiche Leistungen unterschiedlich vergüten.“ Für die Kritik hat Bausch eine einfache Erklärung: „Die Ärzte haben sich einfach an die höhere Honorierung gewöhnt.“ Mit dem Antrag der Länder will sich der Bewertungsausschuss auf seiner nächsten Sitzung Mitte August befassen. Doch KBV-Vertreter Bausch ist überzeugt, dass sich das Problem von selbst löst. „Ärzte, die bisher keine Abtreibungen durchgeführt haben, werden sich nun in die Bresche schlagen. Da wird sich sicher eine Marktverschiebung ergeben.“ Im Klartext: Vom Bewertungsausschuss ist kein grundlegender Kurswechsel zu erwarten.

Das Bundesgesundheitsministerium müsste Pauschalen für Abbrüche festlegen, fordern Pro Familia und Abtreibungsärzte daher seit Monaten. Das Problem: Ein solches Gesetz wäre zustimmungspflichtig. Die CDU-regierten Länder weigern sich aber, die Kostenfrage neu zu verhandeln – und lehnten schon den Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz ab.

Ministerin Andrea Fischer (Grüne) hat denn auch bereits im Mai klargestellt, dass mit ihr nicht zu rechnen ist. „Aus den vorliegenden Stellungnahmen kann ich nicht entnehmen, dass die Bewertung der Leistungen fehlerhaft ist.“

Schleswig-Holstein hat das Problem daher selbst in die Hand genommen. Das Land zahlt den Ärzten neben der Pille eine Pauschale von 341 Mark – zusammen 501 Mark. Das ging den Antragstellern aus Berlin dann doch zu weit. Die Einführung einer ähnlichen Regelung, beschied Senatorin Gabriele Schöttler eine Grünen-Abgeordnete, verbiete sich mangels Rechtsgrundlage.

NICOLE MASCHLER