Aus für Kippen

145 Milliarden Dollar Strafe soll die US-Tabakindustrie an Kläger zahlen. Philip Morris will in Berufung gehen und die Zahlungen verschleppen

MIAMI afp/dpa ■ Ein weltweites Imperium wackelt bedrohlich: Die US-Tabakindustrie ist in einem Aufsehen erregenden Zivilprozess zur Zahlung der Rekordsumme von 145 Milliarden Dollar an kranke Raucher verurteilt worden. Ein Geschworenengericht in Miami im US-Bundesstaat Florida verhängte die Strafgelder am Freitag gegen die fünf großen Tabakkonzerne der USA.

Ein Rechtsberater des Philip-Morris-Konzerns bezeichnete die Entscheidung als „maßlos übertrieben und illegal“. Der Konzern kündigte umgehend Berufung an und erklärte, in der Praxis werde der Urteilsspruch allenfalls in Jahrzehnten Auswirkungen haben, weil vor einer möglichen Auszahlung der Summe zunächst alle der bis zu 700.000 Klagefälle vor Berufungsgerichten verhandelt werden müssten. Antiraucherverbände begrüßten das Urteil und griffen die Industrie an. Die Konzerne waren bereits vor einem Jahr schuldig gesprochen worden, wissentlich gesundheitsschädigende Produkte verkauft zu haben.

Die Jury verurteilte Philip Morris zur Zahlung von 73,96 Milliarden Dollar, R. J. Reynolds zu 36,28 Milliarden Dollar, Brown Williamson zu 17,59 Milliarden Dollar, Lorillard zu 16,25 Milliarden Dollar und Liggett zu 790 Millionen Dollar.

Der Anwalt der Kläger, Stanley Rosenblatt, lobte die Entscheidung der sechs Geschworenen als „mutig“. Er hatte ein Strafgeld zwischen 123 und 196 Milliarden Dollar gefordert. Die Summe soll unter den Sammelklägern aufgeteilt werden.

Die US-Handelskammer kritisierte den Richterspruch scharf als „obszönes Symptom eines außer Kontrolle geratenen Gerichtssystems“. Das Weiße Haus wollte keinen Kommentar zu der Entscheidung abgeben. Ein Sprecher sagte jedoch, die Tabakindustrie sei generell dafür verantwortlich, „wie sie produziert und verkauft“. Philip Morris wies darauf hin, dass im Berufungsverfahren ein Sieg der Tabakindustrie gewiss sei. Viele US-Gerichte hätten bereits Klagen von Rauchern abgewiesen, weil sie überzeugt gewesen seien, dass Raucher sich der Risiken des Tabakkonsums bewusst sein müssten. Tatsächlich befand im Mai 1997 ein Gericht in Jacksonville (Florida), dass die Firma Reynolds nicht für Krebserkrankungen haftbar gemacht werden könne. Ein Jahr später stellte eine andere Jury fest, dass es keinen nachweislichen Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Krebs gibt. Aber viele Verfahren hat die Industrie verloren oder einen teuren Vergleich abgeschlossen.

Die Sammelklage war bereits 1994 eingereicht worden. Die Hauptverhandlung begann 1998. Im April hatte die Jury drei Geschädigten einzelne Entschädigungen in Millionenhöhe zugesprochen.