Flimmern zwischen den Zeilen

Das „Jahrbuch Fernsehen 2000“ lässt das vergangene TV-Jahr Revue passieren

Dem durchschnittlich kritischen Zuschauer liefert das Fernsehen allerhand Bizarres, selten aber noch spektakuläre Sternstunden wie diese: In der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Kohl?“ bekannte sich der Nämliche zu schwarzen Kassen, und die Branche hatte ihren Volltreffer. Die CDU-Spendenaffäre zeitigte märchenhaften Quoten selbst für trockensten Polit-Talk und versetzte die Branche in Hochstimmung: „Zeitweise schien es“, schreibt Bernd Gäbler (Die Woche), „als seien die quicklebendigen Medien in der Lage, die scheinbar lahmen politischen Institutionen an den Rand zu drängen.“ Der luzide Essay steht im „Jahrbuch Fernsehen 2000“, seinen Titel schmückt – Helmut Kohl, der wohl knapp vor Zlatko „Big Brother“ Trpkovski das Rennen macht.

Große Skandale, neue Formate: Viel aufzubereiten gab’s also dieses Jahr für ein Standardwerk der Medienszene, das mit Fug im Ruf einer „Bibel der TV-Branche“ steht. Herausgegeben wird das Kompendium vom Adolf Grimme Institut, dem Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik und dem Katholischen Institut für Medieninformation.

Information wird denn auch seit dem ersten Erscheinen 1991 groß geschrieben: Neben einem erschöpfenden Service-Teil wird auf den rund 540 Seiten der Versuch gemacht, das vergangene Fernsehjahr nach ökonomischen, technologischen oder ästhetischen Aspekten Revue passieren zu lassen. Ausgewählte TV-Kritiken oder Erhellendes über den Kulturkampf zwischen Fernsehen und Kino machen das Handbuch auch für ein weniger vorbelastetes Publikum attraktiv. Umso unverständlicher, dass die Herausgeber keinen Verlag für das Werk finden wollen oder können. So muss man’s im Buchladen oder beim Grimme Institut bestellen. Und da hat selbst der durchschnittlich kritische Zuschauer so seine Hemmschwellen. ARNO FRANK