Putin will ein Fenster nach Asien öffnen

Bei seinem China-Besuch stehen für Russlands Präsidenten Putin Fragen wie Kampf gegen den Terrorismus und eine strategische Partnerschaft im Mittelpunkt. Auch die Wirtschaftsbeziehungen zu China sollen neue Impulse erhalten

MOSKAU taz ■ Mit seiner heutigen Ankunft in Peking beginnt Russlands Präsident eine sechstägige Tour, mit der er in der Ostwand des russischen Hauses ein neues Fenster nach Asien öffnen will. Danach wird er um die Mittagszeit als erster führender russischer Politiker seit einem Jahrzehnt in Pjöngjang nordkoreanischen Boden betreten.

Den 20. und 21. Juli wird Wladimir Putin in der Stadt Blagoweschtschensk auf Tschukotka im äußersten russischen Fernen Osten verbringen. Er will dort Grenztruppen besuchen und an einer Konferenz über die Entwicklungspespektiven dieser Region teilnehmen. Am Abend des 21. Juli nimmt er auf Okinawa an der Eröffnung des Gipfels der Führer der G-8 teil, wo er mit Bill Clinton und Tony Blair sprechen wird. Am 22. Juli sollen auch noch vertrauliche Gespräche zwischen Putin und Gerhard Schröder stattfinden.

Was nun die russisch-chinesischen Beziehungen betrifft, so fanden sie in den 90ern zwar statt, wurden aber beschwert von ideologischem Zwist, vergiftet von Erinnerungen an die bewaffneten Auseinandersetzungen an der Amur-Grenze und überschwemmt von den RucksackhändlerInnen aus beiden Ländern, den „Weberschiffchen“, die der Bevölkerung Sibiriens und des Fernen Ostens chinesische Billigstwaren andrehten.

Die chinesischen Händler zogen und ziehen es vor, sich am Absatzort niederzulassen. Kürzlich schlug das Duma-Komitee für Geopolitik Alarm: 1999 habe die eine Million Russen in der Amur-Grenzregion Zuwachs durch 238.000 illegale chinesische Einwanderer bekommen. Und dies angesichts eines krassen Rückganges der russischen Bevölkerung.

Doch unbemerkt von den am Ende der Jelzin-Ära fast monatlich wechselnden Regierungen strickten die Diplomaten aus den Außenministerien beider Länder an einer politischen Seilbrücke. Zentimeter um Zentimeter legte man den gemeinsamen Grenzverlauf fest, bis ein Abkommen darüber geschlossen werden konnte. In Moskau wurde ein chinesisches Warenhaus eröffnet und es etablierte sich ein russisch-chinesisches Zentrum für handelswirtschaftliche Zusammenarbeit. Es soll den Waren- und Geldaustausch zwischen den beiden Ländern in zivilisiertere Bahnen leiten.

Bescheiden begann es damit, die emsige Tätigkeit chinesischer „Weberschiffchen“ auf dem russischen Markt zu registrieren und zu legalisieren. Nun zieht ein kleines Tauwetter am Horizont herauf. Mit Chinas Ministerpräsidenten Jang Zemin traf Russlands Präsident sich kürzlich auf der Konferenz der Shanghai-Sieben in der tadschikischen Hauptstadt Duschambe.

Die offiziellen Themen werden fast die gleichen sein wie dort: die multipolare Welt, der Kampf gegen internationalen Terrorismus und Separatismus, die Schädlichkeit der US-Star-Wars-Ambitionen und die strategische Partnerschaft. Die Frage ist, wie diese Begriffe an die konkreten Wirtschaftsinteressen beider Länder angepasst werden.

Die strategische Partnerschaft äußert sich seit einiger Zeit darin, dass flugtechnische Ausrüstungen, Raketenabwehranlagen sowie Kreuzer aus Russland nach China geliefert werden. Wie man in Moskau flüstert, soll das hiesige russisch-chinesische Zentrum den russischen Spezialisten Metro-Bauaufträge chinesischer Großstädte vermitteln.

Beim gegenwärtigen Treffen hängt außerdem eine Einigung über einen Pipelinebau aus der Gegend um das sibirische Irkutsk ins Innere Chinas in der Luft. Bis 2010 wird der chinesische Erdölbedarf um 90 Millionen Tonnen im Wert von 3 bis 5 Milliarden US-Dollar wachsen. Die fielen Russland in die Tasche, sobald günstige Lieferbedingungen hergestellt wären.

BARBARA KERNECK