Mobbing bei Werder?

■ Werder-Spieler Sören Seidel klagt gegen seinen Verein: Er darf nicht mit ins Trainingslager, will aber. Es geht um Marktwert und Mobbing / Er verlor den Prozess

Über ganz Bremen brechen die Sommerferien herein. Auch für Sören Seidel – allerdings eher zwangsweise. Der Mann, der als Nummer 25 bei Werder kickt, guckt seit Montag ziemlich verdrossen nach Zell am See. Dort spielt der Rest der Mannschaft im Trainingslager. Im Kader der Bundesliga-Mannschaft soll aber Seidel fortan nicht mehr kicken. Deshalb bleibt nur das Sommer-Training mit den Amateuren. Und das ist wie Abstieg, deklassierend, nix für den eigenen Marktwert. Seidel reichte eine einstweilige Verfügung ein, um sich Zell zu erstreiten. Und trat gestern Morgen nervös seinen Gang vors Arbeitsgericht an: Seidel gegen Sportverein „Werder“ 1899 e.V.

Für den 28-Jährigen ist der Fall klar: „Das Wort Amateure sagt ja alles: Aber ich bin Profi.“ Und wenn er nicht mit nach Zell komme, gibt es Zoff, hatte er dem Verein angedroht. Nachdem ihn Sportdirektor Klaus Allofs am 3. Juli offiziell von der Trainingslager-Liste absetzte. „Ein Aberwitz“ murmelte das drei Mann starke Publikum auf der letzten Bank: „Jemand, der arbeiten will, aber nicht darf.“ Für Seidel mit bislang sechs Bundesliga-Einsätzen steht allerdings einiges auf dem Spiel: 35 verpasste Trainingseinheiten und zwei Probespiele in den acht Tagen Zell am See. Schon seit Anfang Juli hatte er kaum noch Ballkontakt. Nicht gerade praktisch, wenn man einen neuen Verein sucht.

Für Werder gab es andere „gute Gründe“, erkärte Rechtsanwalt Plenge, den Kicker nicht mitzunehmen: „In Zell geht es um ganz spezielle Vorbereitungsmaßnahmen, die nur den Kadar betreffen“. Sören Seidel hätte nur anderen den Platz weggenommen und für Unruhe unter den Spielern gesorgt.

Auch der Aufsichtsrat zuckte gestern nur müde über den arbeitsrechtlichen Vorfall: „Ein ganz normaler Vorgang“, so der Vorsitzende Franz Böhmert. Zugegeben: Nicht ganz leicht für Seidel. „Im Fußball gebe es nun mal eine Hackordnung.“ Und Druck. Man könne das auch Mobbing nennen. Aber bis Januar für Seidel noch Zeit, auf der Transfer-Liste sein Glück zu finden.

Richter Michael Grauvogel, ein bekennender Nicht-Fußballfan, musste abzuwägen zwischen der Pflicht des Vereins, die Spieler „so zu trainieren, dass es nicht zu einem Prozess der Dequalifikation kommt und ihr Marktwert sinkt“. Und zwischen dem Direktionsrecht, das sich Werder vertraglich gesichert hatte: Die Teilnahme an Spiel und Training entscheidet immer noch der Trainer. Und der hatte entschieden. Gegen Seidel. „Unsere Frage ist jetzt, sind die acht Tage Trainingslager ein so wesentlicher Nachteil für Seidel, dass eine Dequalifikation zu befürchten ist?“, fragte Grauvogel.

Was zur Klärung aller Fragen aber fehlte, war jemand vom Werder-Vorstand. Dessen Erscheinen zwar vom Gericht ausdrücklich angeordnet wurde. Doch der Vorstand weilte bis auf Klaus-Dieter Fischer im Urlaub. Und der war nur per Handy erreichbar. So ließ sich nicht mehr klären, was Allofs zu Seidel alles gesagt hatte.

Richter Grauvogel hatte eine gütliche Einigung im Sinn: Seidel ohne Zell am See, aber Training mit dem Kader nach der Rückkehr aus Österreich. Von Fischer, per Handy angefunkt, kam ein OK. Von Seidel nicht. Er wollte nach Zell. Sein Antrag, ihn „sofort am Training in Österreich“ teilnehmen zu lassen, wurde vom Gericht schlussendlich abgelehnt. Zell sei eine Sondersituation, außerhalb der allgemeinen Verpflichtung zum Qualitätstraining bei der A-Mannschaft. pipe