Nein, dieser Raum braucht dich nicht

Menschenleer, pastellfarben und digital: Das Künstlerhaus Bethanien zeigt Arbeiten der DG-Bank-Stipendiaten Sonja Braas und Martin Dörbaum

von MICHAEL NUNGESSER

Die Landschaften sind zum Greifen nahe. Lianen schlingen sich ums Geäst, Berge schimmern metallen im Hintergrund. Wie gemalt, aber mit fotografischer Genauigkeit. Es ist diese seltsame Aura, die die Bilder von Sonja Braas so anziehend macht, ihre mediale Unentschiedenheit, durch die sich der Betrachter in eine Traumwelt versetzt fühlt. Tatsächlich sind Braas’ Werke schlichte Fotos, C-Prints in zwei verschiedenen Größen. Dass es allerdings keine gewöhnlichen Kamerabilder sein können, erkennt man spätestens dann, wenn Vögel in gestellten Posen erscheinen oder das Gebirge im Hintergrund die Spuren des Pinsels zu erkennen gibt.

Der Grund solcher Irritationen liegt im Entstehungsprozess. Die aus Siegen stammende Künstlerin, die in New York lebt, bearbeitet ihre Lichtbilder mit dem Computer. In zweijähriger Arbeit hat sie Landschaftsfotos aus Island, Schweiz, Holland, Deutschland, Frankreich, USA und Australien mit Aufnahmen gemalter Landschaftsmilieus aus Naturkundemuseen sowie Botanischen und Zoologischen Gärten kombiniert. Gemäß der Erkenntnis: „Landschaft ist die vom Menschen erschaffene Natur“ bilden Braas’ Mischungen realer und fiktiver Natur neue Ausblicke auf Manipulation und Wahrnehmung.

Die Arbeit von Sonja Braas entstand im Rahmen ihres DG-Bank-Kunststipendiums 1999/2000. Die in Frankfurt am Main ansässige Deutsche Genossenschaftsbank AG unterstützt die Fotokunst seit rund zehn Jahren. Eine Auswahl ihrer Sammlung war bereits Anfang des Jahres in der Akademie der Künste zu sehen, auch die für den Herbst angesetzte Retrospektive von Helmut Newton in der Nationalgalerie wird von der Bank mitverantaltet. Jährlich vergibt sie zwei Stipendien für Fotografie an Künstler unter 35 Jahren: Neben Braas war dies zuletzt der 1971 in Berlin geborene und hier lebende Martin Dörbaum. Er ist der zweite Aussteller im Künstlerhaus Bethanien, dessen kleinformatige Arbeiten sich auf verblüffende Weise mit denen seiner Partnerin ergänzen. Auch sie sind digital bearbeitet, menschenleer und von ähnlich pastellhafter Farbigkeit.

Aber Parallelen machen auch Unterschiede deutlich. Dörbaum zeigt die andere Seite, die vom Menschen erzeugte Welt, dessen Behausung – genauer gesagt: den Innenraum mit seinen Utensilien. Die eigene Wohnung mit Flur, Küche, Wohnraum, Schlafzimmer, Studio und Bad dient Dörbaum als Motiv für Fotos und Polaroids, die wiederum zu Vorlagen am Bildschirm werden und als sogenannte Iris Giclées auf Papier gedruckt sind. Sie bestechen als grafisch-exakte Produkte von malerischer Kühle – nur die Küche erscheint einmal in warmem Rot. Als aseptisches Ambiente täuschen sie Wohnlichkeit vor.

In jedem der 18 Bilder tauchen die gleichen Gegenstände in veränderter Anordnung auf – Lampe, Fernseher, Fahrrad, Stuhl, Bücher, der die Bilder erzeugende Computer, dessen Schirm im abgedunkelten Raum magisch leuchtet. Jede Einstellung verweist auf Nutzung und Tagesablauf der möglichen Bewohner, die stets abwesend bleiben. Stattdessen verströmen die Räume eine Selbstgenügsamkeit, als ob sie des Menschen ohnehin nicht mehr bedürfen.

Bis 30. 7., Mi.–So. 14–19 Uhr, Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz 2; Kataloge: je 24 DM.