DIE WALDORFSCHULEN SCHADEN DER ALTERNATIVPÄDAGOGIK
: Mehr Transparenz

„Die schwarze Pigmentierung der Neger hat ihre Ursache in einem zu schwachen Ich-Gefühl.“ Kann man solche Zitate Schülern zumuten? Natürlich nicht, sagt der gesunde Menschenverstand. Das kommt darauf an, sagt der Pädagoge. Gerade mit solch unappetitlichen Passagen kann man Widerspruch provozieren. Und Nachdenken. Wie könnte man ältere Schüler besser an Textkritik und reflexiver Umgang mit Quellen heranführen?

Die empörende und didaktisch vielleicht so gewinnbringende Stelle stammt aus der Feder des anthroposophischen Autors Ernst Uehli. Und das Problem, das die anthroposophisch inspirierten Waldorfschulen damit haben, liegt vor allem darin: dass die Waldörfler sich in ihre Wagenburg zurückziehen und behaupten, sie hätten kein Problem. In Wahrheit sind die Steiner-Adepten dabei, ihren Ruf als respektable Reformschulbewegung zu verspielen. Mehr noch: Damit geraten gleichzeitig alle Versuche in Verdacht, die mit Kindern anders lernen wollen – jenseits der durchreglementierten und bürokratisierten Regelschulen.

Die Waldörfler spielen die berühmten drei Affen: Sie wollen nicht hören, dass sich Uehli auf einer ihrer Literaturlisten und wahrscheinlich in manchem Lehrerpult befindet; sie wollen nicht sehen, dass erst ihr ignorant-aggressives Leugnen den Verdacht gegen Bildungseinrichtungen mit dem Label „Waldorf“ verstärkt. Das Hauptproblem aber: Sie können nicht sagen, wo Uehlis Buch in den 180 deutschen Waldorfschulen eigentlich gelesen oder gelehrt wird.

Die Waldörfler dürfen nicht abwehrend reagieren. Sie müssen transparent die wesentliche Frage beantworten, die sich nach der Wiederentdeckung Uehlis in den Waldorfregalen alle stellen: Was und wie lernen Waldorfschüler eigentlich? Mauern sie weiter, dann verschärfen sie nur den Ruf nach der staatlichen Schulaufsicht. Mehr Kontrolle aber wäre fatal. Denn genau das Gegenteil hat sich – glücklicherweise – aufgrund der allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Bildungswesen durchgesetzt: dass Schulen eben mehr Autonomie brauchen und weniger Aufsicht. CHRISTIAN FÜLLER