Klimaschutz geht an die Börse

Der Handel mit Verschmutzungsrechten an einer Umweltbörse soll den Klimaschutz künftig billiger machen. Das fordert die Grünen-Bundestagsfraktion. Einzelne Unternehmen begrüßen die Idee, der Industrieverband BDI aber ist dagegen

aus Berlin MATTHIAS URBACH

BP Amoco will, die Deutsche Bank will, Wacker Chemie ist interessiert, und auch die Grünen-Fraktion will nun. Der Umweltsprecher der Grünen im Bundestag, Reinhard Loske, möchte in Deutschland noch bis 2001 einen Handel mit Verschmutzungsrechten mit „vier, fünf“ Unternehmen einführen, „um Erfahrungen zu sammeln und den internationalen Anschluss nicht zu verlieren“.

Sind die Erfahrungen gut, möchte der Grüne den Handel deutschlandweit einführen, für die Industriebranchen Strom, Stahl, Chemie, Mineralöl, Grundstoffe und Ernährung. Der Haken: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist strikt dagegen. Er würde lieber bei der freiwilligen Selbstverpflichtung bleiben, die er noch mit Kohl ausgehandelt hat. Schließlich ist die angenehm unverbindlich. Loske, der die Rückendeckung des Umweltministers hat, ist aber zuversichtlich, den Handel politisch durchsetzen zu können. Vor allem die Strombörsen in Leipzig und Frankfurt würden den Handel gerne organisieren.

In der Testphase soll nach den Vorstellungen von Loske eine „Emissions Trading Group“ (ETG) – wörtlich übersetzt: Abgashandelsgruppe – aus interessierten Unternehmen, Verbänden und der Regierung entstehen. Sie sollen die Spielregeln festlegen und testen.

Das „Emissions Trading“ ist ein US-Erfindung. Dort hat man es verwandt, um die Kohlekraftwerke möglichst billig sauberer zu machen. Dazu erhielten alle Betreiber ein Limit für den Ausstoß an Schadstoffen. Um den zu erreichen, gab es zwei Möglichkeiten: Entweder baute ein Betreiber Rauchgasfilter ein oder kaufte bei anderen Betreibern, die ihr Limit nicht ausschöpften, Verschmutzungsrechte ein. Der Trick: Bei alten Kraftwerken lohnte es sich oft nicht, viel Geld in neue Filter zu stecken. Bei neuen Kraftwerken bestand dagegen die Möglichkeit, bessere Filter einzubauen als nötig – und dann Verschmutzungsrechte zu verkaufen. So wird dort gespart, wo es am billigsten ist.

Die Probleme lauern im Detail. Wie hoch sollte ein Limit sein? Wie bestraft man Firmen, die ihre Limits nicht einhalten? Loske, der selbst lange gegen so einen Handel war, gibt sich sicher, dass man einen Missbrauch des Systems verhindern kann.

Nach seinen Vorstellungen könnte die Testphase in einem Jahr starten, der industrieweite Handel 2003 bis 2005. Als möglichen Anreiz für eine Teilnahme könnte sich Loske eine Befreiung von der Ökosteuer vorstellen. Andere Länder sind weiter (siehe taz vom 29. 3. 2000): In Großbritannien etwa soll der Handel schon Anfang nächsten Jahres starten. Die EU plant ab 2005 ein Handelssystem mit 3.000 Fabriken und Kraftwerken.