Gewiss kein Traumtänzer

■ Gary Louris wählt mit seinen Jayhawks den bedeckten Weg, um den Weggang von Mark Olson zu verkraften

Kann das Zufall sein? Kaum. „Just smile all the time“, empfahl Jeff Tweedy gerade noch auf dem letzten Wilco-Album Summerteeth als probates Mittel im Kampf gegen Einsamkeit. „Smile when you're down and out“, zog nun kürzlich Gary Louris im Titelsong des neuen Jayhawks-Albums nach. Tweedy und Louris teilen gewiss mehr als ihr All-Star-Projekt Golden Smog, das vorläufig ohne Plattenfirma dasteht. „Rykodisc missfiel wohl, dass wir nie touren konnten“, vermutet Louris hinter dem Rauswurf, ohne weitere Aktivitäten der Fun-Band auszuschließen.

Beide führten mit Uncle Tupelo und den Jayhawks Bands an, die Anfang der 1990er ein neues Genre fast im Alleingang definierten. Beide mussten quasi über Nacht den Abgang ihrer Kreativpartner Jay Farrar beziehungsweise Mark Olson verkraften. Beide orientierten sich danach neu, Tweedy mit Wilco eher schleichend, Louris mit dem bedeckten Rock-Pop des letzten Jayhawks-Albums Sound Of Lies ziemlich abrupt. „Fast beängstigend“ nennt auch Louris diese Parallelen.

Wirklich beängstigend war die zynische Herablassung, mit der Tweedy wie Louris ihre Country-(Rock)-Vergangenheit verdammten. Dass sie raus wollten aus der übervollen Alt-Country-Schublade – geschenkt. Aber muss man, wie Louris 1997, das Feuer der frühen Jahre gleich als bloße „Formel“, gar kühl ausgeguckte „Marktlü-cke“ denunzieren? Heute gibt sich der 45-jährige Songwriter schon konzilianter. „Ich renne nicht davon vor dieser Vergangenheit“, sagt Louris, um abends beim Akustik-Showcase in der Prinzenbar demonstrativ Olson/Louris-Oldies wie „Waiting For The Sun“ zu zelebrieren. Ja, er sei „heute stolz auf diese Country-Einflüsse“, glaube aber, dass „wir als Country-Band nicht sooo gut waren. Eher ganz O.K.“ Es sei nun mal „verdammt schwer, George Jones nachzueifern“.

Auf neuem Terrain brauchen beide einen Gegenpol. Tweedy fand den gewieften Musikus Jay Bennett, Louris Produzent Bob Ezrin. Dass dessen Name unter anderem schon das erste Album ziert, das Louris erwarb – Alice Coopers Killer – habe ihn nicht mehr einschüchtern können. „Ich bin keine 21 mehr.“ Doch vormachen konnte Louris dem erfahrenen Ezrin auch nichts. In der Vorproduktion fuhr er öfter raus nach Santa Monica, um in Ezrins Haus aktuelle Fortschritte zu präsentieren. „Irgendwann“, so Louris, „guckte Bob mich an und meinte: ,Gary, ich hab deinen Songwriter-Typ herausgefunden. Du bist ein inspirierter Songwriter!'“ Louris bedankte sich artig ob des vermeintlichen Kompliments. „Aber Bob sagte: ,Nein, ich meine, Du schreibst nur, wenn Du Dich inspiriert fühlst – und kehrst nicht wieder zurück, um die Drecksarbeit zu machen!'“ Ezrin habe „schon die Peitsche geschwungen“, so Louris. Rückblickend wünscht er sich, „an Songs wie ,Sixteen Down' länger gearbeitet“ zu haben – und tröstet sich damit, dass „alle großen Songwriter auch die Drecksarbeit machen mussten“.

Auch wenn einem das Lächeln dabei schon mal vergehen kann. Apropos: Ist das hintersinnig bei Wilco – und nur naiv bei den Jay-hawks? Nein, Gary Louris ist zu alt und zu klug, um unter der musikalischen Zuckerwatte von Smile nicht doch eine gute Prise reality bites zu verstecken. Wer gerade in der Euphorie junger Vaterschaft über die Magie des Moments hinausblickt und in der von Sohn Henry inspirierten Charakterstudie „Mr. Wilson“ schon mal „den ganzen emotionalen Ballast“ (Louris) vorwegnimmt, der da bestimmt kommen wird, ist gewiss kein Traumtänzer.

Jörg Feyer

Freitag, 21 Uhr, Logo