Ewig groovt die Jazzmaschine

Billy Cobham und der Trompeter Nils Petter Molvaer beim Jazzport  ■ Von Roger Behrens

„Der Jazz ist nicht tot, er riecht nur komisch“ – Frank Zappas vielzitierter Witz hat sich zur musikgeschichtlichen Programmatik verselbstständigt: Tatsächlich schien vor rund dreißig Jahren die Jazzmusik am Ende. Die große Zeit des Be- und Hardbop war vorbei, die swingende Verbindung von Synkope und Dissonanz hatte ihre subversive Kraft verloren, die erste große Independent-Bewegung mit dem Blue-Note-Label war von der Kulturindustrie besiegt.

Die Emanzipation der Musik als Freejazz erreichte bloß jenen Teil der Subkultur, dem stets das hochkulturelle Potenzial des Jazz bewusst war. Und wie immer trug die Kulturindustrie ihre Opfer stolz zur Schau: Jazz hieß fortan „Jatz“ und beschallte in genau der Variante die Frühschoppen der Welt, zu der Theodor W. Adorno bereits in den vierziger Jahren konstatiert hatte: „Und ewig stampft die Jazzmaschine.“ Jazz wurde, was er nach Adornos Meinung schon längst war: eine zeitlose Mode, also ein geschichtsvergessener Manierismus. Und das gilt auch für die Zwischenphänomene, die den Jazz nicht anders zu retten vermochten, als durch abgeschmackte Fröhlichkeit: Jazzrock endete schließlich beim Serien-Soundtrack eines Klaus Doldinger oder Jan Hammer) oder in der verstiegenen Klangesoterik eines Joachim-Ernst Berendt.

Das jedenfalls ist die Geschichte, die heute noch jeder „gutsortierte Plattenhandel“ ebenso bestätigen möchte wie der Kulturpessimismus. Dagegen allerdings richtete sich – vorausahnend – der Satz Frank Zappas, dem wohl schwante, dass eine subversive Musik nur fortgesetzt werden kann, wenn man sich als erstes von ihrem Etikett verabschiedet. Plötzlich entfaltete sich eine andere Jazzgeschichte, in der vom Jazz gar nicht mehr die Rede, aber umso mehr Jazz zu hören ist. Gewissermaßen parasitär wurde das Erbe des Jazz in anderen Musikgenres lebendig gehalten: Miles Davis hat in diesem Bereich mit dem Rebirth of the Cool, mit Bitches Brew und schließlich mit seinen Dancefloor-Versuchen Maßstäbe gesetzt.

In der Liste der Musiker, die zudem unbedingt genannt werden müssen, steht Billy Cobham oben an, sofern populäre Musik vorrangig rhythmisch orientiert ist. Vielleicht sogar vor Davis. Cobham war einer der ersten, der Elektronik mit dem Schlagzeug verband. Sein Verständnis von Funk beschreibt buchstäblich, was Zappa mit „komisch“ meinte. Es wäre albern zu behaupten, Cobham wäre neuer Tanzmusik gegenüber aufgeschlossen – vielmehr hat er sie ganz entscheidend beeinflusst. Man denke beispielsweise an Massive Attacks „Save from Harm“, das mehr als eine Sample-, fast schon Coverversion von Cobhams Stratus von 1981 ist.

Da ist es schon ganz passend, aber überflüssig, wenn heute Abend Billy Cobham und das London Jazzorchestra zusammen mit Nils Petter Mollvaers Khmer unter dem Motto „Jazz-Dialogues“ auftreten. Mollvaer, der mittlerweile die Charts erreicht hat, setzt seine gedämpften Trompetenlinien über ein schwebendes Geflecht aus Drum'n'Bass-Loops und damit eine Tradition fort, für die Cobham 20 Jahre zuvor die Fundamente schuf. Nebenbei wird Cobham mit Conundrum und dem London Jazz-orchestra einen noch ganz anderen Brückenschlag unternehmen und noch einmal das Verhältnis von Improvisation und Komposition unter gegebenen Bedingungen bestimmen. Ob neu, bleibt abzuwarten – wahrscheinlich wird es komisch riechen.

Bily Cobham und Nils Petter Molvaer, Freitag, 20.00 Uhr;

das weitere Jazzport-Programm: Yothu Yindi, Donnerstag, 20 Uhr; S & S – Pics and Sounds: DJs (unter anderem mit Fat Back Sound), Freitag, 23.30 Uhr; La India, Samstag, 20 Uhr, alle Konzerte im Festivalzelt vor den Deichtorhallen