Vorne oder hinten?

Der japanische Regisseur Yoshi Oida in Fragen und Antworten über Fragen und Antworten
■ Ein Interview von Sven Tietgen

Der Mann ist kein Unbekannter an Hamburgs Bühnen: Bereits 1986 trat Yoshi Oida mit zwei Theaterstü-cken in den Hallen an der Jarrestraße auf, und 1991 inszenierte er am Thalia Theater. Der gebürtige Japaner steht seit über 40 Jahren auf den Bühnenbrettern der Welt, die letzten 30 Jahre als Schauspieler von Peter Brook. Er arbeitete mit den Großen des Theaters zusammen, von Jerzy Grotowski über Peter Greenaway bis zu Eugenio Barba.

Beim Internationalen Sommertheater-Festival präsentiert Yoshi Oida heute und morgen sein Stück Interrogations – Words of the Zen Masters, zu Deutsch: Befragungen – Worte der Zen-Meister. Der 67-Jährige sprach mit der taz über das Stück und seine Beziehung zum Zen.

taz hamburg: Warum haben Sie den Zen-Buddhismus zum Thema eines Theaterstückes gemacht?

Yoshi Oida: Eine Funktion des Theaters ist es, mit seinen Mitteln Gedanken mitzuteilen, die nicht mit Worten erklärt werden können. Beim Film genauso: Peter Greenaway versucht, seine Gedanken mit Bildern auszudrücken. Und die Zen-Buddhisten versuchen zu verstehen, was hinter der Vernunft steckt, was es außer der Logik noch gibt. Sie versuchen, den Sinn des Lebens herauszufinden, indem sie Fragen stellen, die keine einfachen Antworten erlauben, weil die in Sprache eingefangene Logik durchbrochen wird.

Wie ist das zu verstehen?

Wenn ich jemandem meine erhobene Handfläche zeige und frage: Ist das vorne oder hinten?, dann gibt das erstmal genug Stoff zum Nachdenken. In meinem Theaterstück Interrogations stelle ich dem Publikum auf meine Art solche oder ähnliche Fragen. Die Fragen sind dabei wichtiger als die Antworten.

Sind sie mit dem Zen-Buddhismus aufgewachsen?

Zen ist kein starres, festes Gebäude aus Philosophie, und es ist auch keine Religion im eigentlichen Sinn – eher eine Technik. In Japan gibt es Zen nicht als Unterrichtsfach an der Schule. Es gibt Zen-Klöster, aber damit hatte ich nichts zu tun. Natürlich habe ich mich mit dem Zen auseinander gesetzt – aber in meiner Rolle als Schauspieler.

Kann das Publikum heute und morgen mit Erleuchtung rechnen?

An einem Abend kann man natürlich nicht herausfinden, wie das Universum beschaffen ist. Aber man kann die Leute ein bisschen in diese Richtung schubsen. Mir ist wichtig, dass durch die Fragen in den Köpfen der Leute etwas passiert.

Mit Ihnen auf der Bühne spielt auch der Musiker Dieter Trüstedt. Wie sind sie beide zusammengekommen?

Interrogations habe ich 1979 auf dem Theaterfestival in Avignon erstmals gezeigt. Da habe ich noch mit einem japanischen Musiker zusammengearbeitet. Dieter Trüstedt habe ich fünf Jahre später kennen gelernt, in München. Er ist Physiker, wie Einstein, mit Doktortitel. Dieter ist ein guter Musiker, und vor allem hat er die gleichen Ideen wie ich, was Musik betrifft. Er experimentiert viel; aus Saiteninstrumenten zum Beispiel holt er neue Töne heraus, indem er mit dem Mund über die Saiten bläst. Seit 1984 arbeiten wir zusammen, und als Nebeneffekt ist das Stück nicht mehr so japanisch.

Sie spielen auch im Abschiedsevent The Last Waltz mit. Was haben Sie sich dafür ausgedacht?

Ich werde wohl einen fünfminütigen Samurai-Tanz machen. Obwohl – ich habe seit dreißig Jahren kein No-Theater mehr gemacht. Na, mal sehen.

Interrogations: Donnerstag, 20. + Freitag, 21. Juli, 21 Uhr, Halle k1, Kampnagel