pampuchs tagebuch: Programmheftchen zum Klicken statt zum Blättern
O weh, o weh, o weh: www.filmfest-muenchen.de, www.tollwood.de, www.muenchner-blade-night.de . . . Es war nicht leicht in den letzten Wochen. Denn die Münchener Sommer haben es in sich. Während Restdeutschland schon in die Sommerferien geht, tobt hier der Bär zu normalen Arbeitszeiten. Feste, Festivals, Termine, Events, „nights“. Als moderner Mensch habe ich mich den Großereignissen unserer kleinen Stadt erstmals auch übers Netz genähert. Schließlich kommt ja heute kein Käseladen mehr ohne Homepage aus, geschweige denn eines der vielen Spektakel in unserem Laptop-Lederhosen-Landstrich.
Doch was hat's genutzt? Da gab es also unser tolles Filmfest. Außerhalb von München schien das ja niemand so richtig ernst zu nehmen, aber für die schicke Film- und TV-Welt, die sich so gern im eigenen Saft suhlt, herrschte acht Tage Fete, und jeden Tag konnte man in der Lokalpresse davon lesen. Dass die Filmfest-page diesen Tratsch verschwieg, ist ihr zu danken. Dass sie aber nur aus einem ins Netz gehobenen Programmheft bestand, war doch ein bisserl wenig.
Doch das ist wohl die Crux dieser schnell aus dem Boden gestampften offiziellen Websites: eine wirkliche Neuerung – außer dass man klickt statt im Heftl blättert – bieten sie nicht. Für die Filmfest-seite hätte man doch zumindest eine Zusammenstellung der aktuellen Filmkritiken oder wenigstens Links dazu bringen können. Und von Interaktivität keine Spur. Die haben die Webmaster wohl lieber persönlich auf den Feten betrieben. Haben sie ja auch Recht.
Oder sie waren auf dem Ex-Alternativ-Spektakel „Tollwood“ zugange, einer Ansammlung von kleinen Buden und Riesenzelten im Olympiapark. Diese alljährliche Sommerseuche hat sich in den letzten 12 Jahren von einem „Forum der Münchner Kleinkunstszene“ zu einem Mammutfestival entwickelt, auf dem jedes Jahre etwa eine Million Besucher einen Monat lang fressen, saufen, einkaufen und „Kultur mit Lebensfreude verbinden“, wie es die Veranstalter so nett ausdrücken. Die Kommerzialisierung des ehedem latzhosigen Festivals drückt sich auch darin aus, dass es sich nun ehrlich als „Markt der Kontinente“ feiert. Global Village halt.
Die Tollwood-Page war darum etwas munterer gestaltet als die von den Filmfestkollegen, aber auch hier erfuhr man nicht mehr, als im gedruckten Programm stand: dass Lou Reed kommt, dass es afrikanische Performances und australisches Straßentheater gibt und Videoinstallationen, die uns die „japanische Kirschblüten-Tradition“ näher bringen.
Seien wir ehrlich: Solange nicht wirklich originelle Konzepte für solche Event-Webseiten ersonnen werden, sind sie überflüssig wie ein Kropf – zumindest für Einheimische. Im Übrigen sind diese Münchner Lokalereignisse eh nur lohnend, wenn man sie selbst besucht – mit oder ohne Programmheft. Die einzig sinnvolle Funktion dieser Webseiten liegt wohl drin, die Auswärtigen neidisch zu machen. Ist ja auch was. Und darum hier noch der ultimative Münchner Sommer-Event Netz-Tipp: www.biergarten.com/! Er kommt aber nicht, man muss schon selber kommen. Am besten mit Blades. Thomas Pampuch
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