Erste Mietreform seit Sepp Maier

Wenn zwei Lobbys schimpfen, freut sich die Ministerin: Für Herta Däubler-Gmelin beweisen die Proteste von Mietern und Vermietern nur, wie ausgewogen ihre Mietrechtsreform ist. Dazu gehört auch die Gleichstellung homosexueller Mieter

von LUKAS WALLRAFF

Nie mehr Schlange stehen für eine Wohnungsbesichtigung, nie mehr Provisionen zahlen? Für Mieter brechen goldene Zeiten an – wenn man dem Verband der Wohnungswirtschaft glaubt. Weil immer mehr Immobilien leer stehen, könnten sich die Leute ihre Wohnung „ohne Probleme aussuchen.“ Und nun kommt auch noch eine Mietrechtsreform, „die nur den Mietern nützt“. Sagen die Vermieter.

Zufall ist es nicht, dass sie ausgerechnet jetzt vor einer „dramatischen Entwicklung“ warnen. Sie wollen damit beweisen, wie berechtigt ihr Protest gegen die Mietrechtsreform ist, die Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) gestern vorgestellt hat.

„Gerade in einer Zeit, in der das Angebot größer ist als die Nachfrage“, so Friedrich-Adolf Jahn vom Zentralverband der Hauseigentümer zur taz, „ist diese Liberalisierung ein Investitionshemmnis“. Ihn stört vor allem die „Asymmetrie bei den Kündigungsfristen“. Dadurch würden die Mieter priviligiert. Weil er auch die neuen Obergrenzen bei Mieterhöhungen für „überflüssig“ hält, sagt Jahn: „Besser keine Reform als diese.“

Quatsch, sagt die Ministerin. Für sie ist die Reform „ein Riesenschritt nach vorne“. Däubler-Gmelin ist stolz darauf, das komplizierte und veraltete Mietrecht modernisiert zu haben. Schließlich hatte der Bundestag schon 1974 eine Reform gefordert: „Um klarzumachen, wie lange das her ist: Da stand Sepp Maier noch im Tor der Nationalmannschaft – und die wurde damals noch Weltmeister.“ Und Däubler-Gmelin hat es geschafft: Das Kabinett hat zugestimmt, die Opposition kann im Bundesrat nicht blockieren, die Mietreform soll „möglichst bald im kommenden Jahr“ in Kraft treten.

Nicht nur angesichts des jahrzehntelangen Vorlaufs relativieren sich aus Däubler-Gmelins Sicht die Klagen. Ja, sie freut sich geradezu, dass die Vermieter immer noch zetern. Das beweise nur eines: die „Ausgewogenheit“ ihrer Mietreform. Denn auch der Deutsche Mieterbund ist unzufrieden: Däubler-Gmelin war den Vermietern im Vergleich zu ihrem ersten Entwurf entgegengekommen.

„Es ist enttäuschend, dass SPD und Grüne so eingeknickt sind“, jammert Franz-Georg Rips vom Mieterbund. „Aus Mietersicht gibt es an zwei zentralen Punkten eine Verschlechterung.“ Er bemängelt, dass Vermieter immer noch bis zu 11 Prozent der Kosten für Wohnungsmodernisierungen auf die Miete umlegen dürfen. Eigentlich sollte diese Umlage auf 9 Prozent gesenkt werden. Auch die so genannte „Asymmetrie“ bei den Kündigungsfristen fällt nicht so drastisch aus wie geplant. Ursprünglich sollten Mieter, die aus beruflichen Gründen umziehen oder ins Pflegeheim müssen, schon nach 3 Monaten kündigen dürfen. Jetzt müssen sie 6 Monate warten.

Dass beide Lobbys schimpfen, bestärkt Däubler-Gmelin nur darin, alles richtig gemacht zu haben. Das neue Mietrecht könne natürlich nicht alle Wünsche berücksichtigen, bringe aber „beiden Seiten Vorteile“. Dazu gehört, dass die Mietvorschriften künftig im Bürgerlichen Gesetzbuch zusammengefasst werden. Und ein erster Schritt zur Homo-Ehe: Schwule Paare bekommen die gleichen Rechte wie Hetero-Mieter. Dagegen hat keiner etwas einzuwenden, nicht einmal die Vermieter.