Ein brillantes Geschäft

Die Diamantenindustrie will den Ruch loswerden, afrikanische Kriege zu finanzieren. Von der Regulierung des Handels profitiert aber vor allem sie selbst

von DOMINIC JOHNSON

Diamanten sollen wieder glänzen. Die internationale Diamantenindustrie hat gestern einen beispiellosen Maßnahmenkatalog verkündet, der den Handel mit den „weißen Brillanten“ grundlegend umkrempelt. Das erklärte Ziel ist es, so genannte „Blutdiamanten“ vom Markt zu verdrängen – Diamanten aus Ländern wie Angola und Sierra Leone, deren Export bisher zur Finanzierung von Rebellenbewegungen beiträgt.

„Wir werden sofort alle legalen Schlupflöcher schließen, durch die Blutdiamanten möglicherweise zurzeit noch auf den Markt kommen“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung des Internationalen Diamantenherstellerverbandes (IDMA) und des Weltbundes der Diamantenbörsen (WFDB) zum Abschluss ihres „Weltdiamantenkongresses“ im belgischen Antwerpen. Um das zu erreichen, wird der Diamantenexport weitgehend verstaatlicht und unter internationale Aufsicht gestellt.

In jedem Land, das Diamanten exportiert, soll es in Zukunft „akkreditierte Exportbüros oder eine Diamantenbehörde“ geben, die „Rohdiamantenpakete für den Export versiegelt und in einer internationalen Datenbank registriert“. Nur solche versiegelten und registrierten Diamanten sind für den internationalen Handel zugelassen. Ein Diamantenförderland bekommt eine internationale Akkreditierung als exportwürdig nur, wenn es „Kontrollmechanismen“ einrichtet, mit denen die Herkunft der Rohdiamanten und das Eigentum an ihnen nachgewiesen werden können.

Um die Einhaltung dieser Regeln zu überprüfen, wird ein „Internationaler Diamantenrat“ gebildet, in dem Produzenten, Händler, Regierungen und „relevante internationale Organisationen“ sitzen – eine Art „Diamanten-UNO“, deren Fehlen auf der Tagung von Antwerpen von Diplomaten bedauert worden war. Der Bruch der neuen Regeln soll strafrechtlich verfolgt werden.

„Die Idee ist, reformwillige Länder zu stärken“, sagte eine Sprecherin der britischen NGO Global Witness, die mit ihren Kampagnen gegen den Kriege finanzierenden illegalen Diamantenhandel in Afrika maßgeblich zum Bewusstseinswandel in der Diamantenindustrie beigetragen hat und den neuen Maßnahmenkatalog gestern vorsichtig begrüßte. Wichtig sei nun, dass dieses System „nicht benutzt wird, um neue Korruptionsmöglichkeiten zu eröffnen“.

Dies ist tatsächlich das größte Risiko. Der gestern vorgestellte Maßnahmenkatalog enthält keinerlei Hinweise darauf, wie die Diamantenwirtschaft innerhalb der Förderländer reguliert wird. Doch mit der Beschränkung des Diamantenexports auf „akkreditierte Exportbehörden“ droht in vielen afrikanischen Ländern eine Rückkehr zur Monopolwirtschaft. Die Beschränkung des freien Außenhandels gehört zum klassischen Bereicherungskatalog finanzschwacher afrikanischer Diktatoren. Der Sinn ist immer, Geschäftspartnern der Regierung Sonderkonditionen bieten zu können und deren Konkurrenten in die Illegalität zu treiben.

Die Gefahr ist groß, dass der Kampf gegen „Blutdiamanten“ – die offiziell nur 4 Prozent des Weltmarktes ausmachen – über sein Ziel hinausschießt und auch alles trifft, was als „Buschdiamanten“ bezeichnet werden könnte – die Schätze jener unzähligen „kleinen“ Diamantenschürfer, die in Angola und Kongo, in der Zentralafrikanischen Republik und Sierra Leone unter hohem Risiko und abhängig vom Schutz lokaler Potentaten ihren Lebensunterhalt in einsturzgefährdeten Bergbaulöchern verdienen. Dort, wo Diamanten informell gefördert werden, sind sie ein Mittel der Kapitalbildung. Sie haben keinerlei Gebrauchswert, aber man kann sie problemlos aufbewahren, transportieren und verstecken, und in Ländern mit prekären Währungen sind sie ein unverwüstlichers, wertbeständiges Sparguthaben, das sich dem Zugriff raffgieriger Regierungen weitgehend entzieht.

Aber unter dem neuen System würden sie einen Großteil dieses gesellschaftlichen Wertes verlieren, weil sie nur noch über den Staat verkauft weden könnten. Der Direktor des Hohen Diamantenrats von Antwerpen, Peter Meeus, nennt die neuen Regeln „ein System, von dem Albaniens Diktator Enver Hoxha nur geträumt hätte“.

Der neue Maßnahmenkatalog nützt vor allem der Diamantenindustrie. „Ein aufgeklärter und wirkungsvoller Zugang zum Problem kann den Diamantenmarkt insgesamt verbessern“, heißt es in der Erklärung von Antwerpen. De Beers, der südafrikanische Marktführer im Diamantensektor, gilt als eine treibende Kraft hinter den Vorschlägen. Der Konzern ist derzeit bestrebt, sein Image vom Ruch der Verwicklung in afrikanische Kriege zu befreien. Man muss „das Vertrauen der Verbraucher in den Mythos Diamant erhalten“, erklärte De Beers kürzlich. Die US-Entwicklungsbehörde USAID kam in einer kürzlich veröffentlichten Studie zum Ergebnis, dass Marktregulierungsmaßnahmen wie die jetzt beschlossenen vor allem Großkonzernen wie De Beers helfen, „weil De Beers am besten die Herkunft seiner Handelssteine nachweisen kann“.

Die Beschlüsse von Antwerpen spalten den Markt. Einerseits gibt es „gute“ Diamanten, die man kaufen kann, ohne an „die Amputation eines Fingers oder eines Armes in Sierra Leone zu denken“, wie der kanadische UN-Botschafter Robert Fowler in Antwerpen sagte. Dann gibt es „Blutdiamanten“ – billig, anrüchig und ab jetzt komplett illegal. Na schön. Aber woher weiß der afrikanische Schürfer, welche Sorte er gerade gefunden hat?