In England gibt’s nur Badewannen

Sprachreisen: Immer mehr Deutsche nutzen ihre Ferien zum Erwerb von Fremdsprachen. Die Einstufung in leistungsgerechte Gruppen ist wichtig. Ein einheitliches Prüfsiegel für Sprachreisen gibt es bisher nicht. Die Unterbringung ist oft ein Problem

von KARIN HAHN

Am Ballermann spricht man deutsch: Sich im Urlaub mit dem Land und der Kultur auseinanderzusetzen, ist nicht das Ding des Ferienweltmeisters Deutschland. Man fährt in den Urlaub, weil im Süden das Wetter besser ist und ansonsten alles wie daheim. Doch immer mehr Deutsche möchten gerade in den Ferien ihre Sprachkenntnisse verbessern. „Eine Sprachreise ist der effizienteste Weg, eine Sprache zu lernen“, weiß Stefan Lamberti, Vorstandmitglied im Fachverband Deutscher Sprachreise-Veranstalter (FDSV), „anders als in einem Sprachkurs an einer hiesigen Sprachschule ist man im Ausland nicht nur im Unterricht, sondern den ganzen Tag bei den Ausflügen und in der Gastfamilie mit der fremden Sprache konfrontiert.“

Und so fahren jährlich etwa 140.000 Bundesbürger nach England, Malta, Frankreich, Spanien und in die USA, um dort in fremden Zungen zu parlieren. Versuchten früher hauptsächlich Schüler durch eine Sprachreise ihre Noten aufzupolieren, drücken heute immer mehr Erwachsene in den Ferien die Schulbank. „Gerade karrierebewusste Menschen kommen ohne fundierte Englischkenntnisse nicht aus“, betont Stefan Lamberti. So ist nicht verwunderlich, dass 65 Prozent der von Erwachsenen gebuchten Sprachreisen die Zielsprache Englisch haben, Französisch und Spanisch sind jedoch im Kommen.

Doch bevor man sich auf die Reise begibt, sollte man die Angebote genau prüfen: „Das Problem bei Sprachreisen ist selten die Qualität des Unterrichts, sondern meist die Unterbringung“, berichtet Barbara Engler von der Stuttgarter Aktion Bildungsinformation (ABI). Gerade in den zu Ferienzeiten überlaufenen Gebieten von Südengland und Malta ist der Mangel an geeigneten Privatunterkünften groß.

Zu diesem Schluss kommt auch die Stiftung Warentest. Laut ihren 1997 veröffentlichten Ergebnissen lag auf Malta der Anteil von Gastfamilien, die drei und mehr Sprachschüler aufnahmen, bei 60 Prozent, in England bei knapp 20 Prozent. Bei diesen Verhältnissen können sich die Gasteltern nur wenig um ihre Zöglinge kümmern. Sind dann auch noch alle „Schüler“ aus dem gleichen Land, wird automatisch auch in der Freizeit die Muttersprache gesprochen. Frau Engler gibt deswegen Sprachschülern den Rat, in die nicht so begehrten Orte ins Landesinnere zu fahren.

Oder alternativ ins Internat. Dort ist die Freizeitgestaltung an den Nachmittagen und am Abend gesichert. Ein Service, der natürlich seinen Preis hat. Im Gegenzug wissen die Eltern, dass ihre Kids abends mit dem Bus von der Disco in die Unterkunft gebracht werden und nicht zu Fuß in ihre Privatunterkunft laufen müssen.

Doch nicht nur bei der Freizeitgestaltung sollte der Verbraucher kritisch sein. Der Nutzen von Sprachreisen steht und fällt mit der Unterkunft, dem Sprachunterricht und der richtigen Leistungseinschätzung der Schüler. Denn nicht nur Schüler, die auf dem letzten Zeugnis eine Fünf in Englisch oder Französisch kassiert haben, sitzen in den Sprachkursen. Laut einer Studie des Fachbereichs Psychologie der Universität Koblenz-Landau haben nur 2,7 Prozent der 821 befragten Sprachreiseschüler die Note „mangelhaft“. Immerhin 22,9 Prozent der Pennäler konnten mit einer Vier aufwarten, der überwiegende Teil hatte eine Drei, der Rest stand sogar auf Zwei oder besser.

Das unterschiedliche Leistungsniveau der Schüler macht deutlich, wie wichtig die richtige Einstufung in alters- und leistungsgerechte Lerngruppen für den Erfolg der Reise ist. Man sollte also die Angebote vorher genau prüfen und nicht nur die Hochglanzbroschüren der Veranstalter wälzen, sondern auch die Sekundärliteratur: Ratgeber mit Kriterien und Checklisten für die Beurteilung der Angebote gibt es sowohl beim ABI (info@abi-ev.de) als auch beim FDSV (www.fdsv.de).

Ein einheitliches Prüfsiegel für Sprachreisen gibt es bisher nicht. Zur Zeit arbeiten lediglich die 18 Veranstalter, die im FDSV zusammengeschlossen sind, nach festgelegten Richtlinien. Sie repräsentieren zwar über 50 Prozent des Sprachreisenmarktes, auf dem übrigen Teil des Marktes bewegen sich jedoch immer wieder schwarze Schafe, die den Ruf der Branche schädigen.

Fazit von Stefan Lamberti ist, dass der Erfolg einer Sprachreise entscheidend von der Beratungsqualität des Veranstalters abhängt. Dazu gehört es auch, die Teilnehmer auf die Eigenheiten des Landes hinzuweisen. „In einer englischen Gastfamilie können die Schüler kein sehr großes Zimmer erwarten“, berichtet Stefan Lamberti, „auch eine Dusche fehlt in den meisten Häusern. In England benutzt man die Badewanne.“ Wer deutschen Komfort erwartet, ist meist enttäuscht: Eine Sprachreise ist nämlich – anders als der Urlaub am Ballermann – die Konfrontation mit einer völlig anderen Kultur.