Taffer Tattergreis

In Marek Kanievskas „Der große Coup“ zelebriert Paul Newman als Gangster im Rollstuhl die Erotik des Alters, und unterwandert augenzwinkernd die eigene Legende

Bevor Sean Connery zum letzten Mal im Auftrag ihrer Majestät von dannen zog (auch die Brusthaare bekamen da schon langsam einen gräulichen Touch), musste er sich erst einmal einer gesundheitlichen Vollsanierung unterziehen. Tatsächlich wurde in „Sag niemals nie“ die ureigene Urinprobe zur ätzendsten Waffe von Connerys gesamter 007-Karriere. Einen ähnlichen Kampf mit altersbedingten Schwächen führt auch Clint Eastwood. In „In the line of fire – Die zweite Chance“ hinkt er keuchend dem eigenen Image als pflichtbewusster Präsidenten-Leibwächter hinterher. Beim finalen Eisschlecken wiederum ist er dann nicht nur für sein junges Gegenüber schlichtweg unwiderstehlich. Überhaupt lässt der nunmehr Siebzigjährige keine Gelegenheit aus, seinen nackten Oberkörper mit einer Koketterie zu präsentieren, die einen förmlich nach Luft schnappen lässt.

Paul Newman treibt jetzt in „Der große Coup“ die doppelbödige Inszenierung des Tattergreises auf die Spitze. Zunächst ein niederschmetterndes Bild: Der einstige Rebell mit den stahlblauen Augen ist nur noch ein Häuflein Elend im Rollstuhl – reglos, gelähmt, weggetreten. Es fehlt nur noch, dass er anfängt zu sabbern. Der einstige Meisterdieb ist nach einem Schlaganfall zu einer kümmerlichen Topfplanze mutiert. Doch die kontrapunktische Einstellung lässt nicht lange auf sich warten. Da erobert Newman prompt die Tanzfläche mit minimalistischem Hüftschwung. Jede Bewegung ein Treffer, und schon liegt seine Hand auf ihrer Hüfte. Selbstsicher zieht er das Prachtweib an sich und macht auf „dancing cheek to cheek“.

Haben wir es hier mit einer besonders hinterhältigen Ausformung des Altersstarrsinns zu tun? Die augenzwinkernde Unterwanderung der eigenen Legende steht zunächst für eine gehörige Portion Selbstironie und für Mut zur Hässlichkeit. Indem Newman & Co geradezu offensiv ihre Jahre auf dem Buckel zelebrieren, geben sie sich eine Blöße, die sie beinahe wieder liebenswert macht (schon hat man sozusagen im Geiste den Arm um sie gelegt). Eine Starparade der Senilität als Köder, der das andere Geschlecht geradezu herausfordert, zu überprüfen, was hinter den Runzeln noch so schlummern könnte. Die Altersfassade auf der Suche nach dem weiblichen Blick. Linda Fiorentino als Krankenschwester Carol hat in „Der große Coup“ längst angebissen. Mit dem gelähmten Kerl und einst berüchtigten Bankräuber Manning kommt eine faszinierende Geschichte ins dahindämmernde Altersheim gerollt, eine, die ganz nebenbei die gesamte Filmkarriere Newmans noch einmal unter einen Hut bringt. Auch hier gibt er wieder den Outlaw mit Moral, Eros und Herz am rechten Fleck. Nicht zuletzt ist Carols Interesse auch durch die 1,8 Millionen Dollar geweckt, die seit seinem letzten Bruch verschwunden sind.

„Der große Coup“ ist zunächst eine Mischung aus Dornröschen und Froschkönig. Als auch der schönste Strip der wandelnden Männerfantasie im knappen Schwesternkleidchen zu keinem Wimperzucken führt, wird der Typ samt Rollstuhl einfach ins Wasser geschoben. Eine drastische Maßnahme, die immerhin das Ende des Simulantendaseins bzw. die Wiedergeburt von „Bonnie und Clyde“ zur Folge hat. Wäre da nicht noch Carols eifersüchtiger Ehemann. Selbstredend wird der alte Hecht souverän am jungen Superbody vorbeiziehen. Im wirklichen Leben hat Paul Newman übrigens einen Sportwagenmotor in seinen Volvo-Kombi eingebaut.

ANKE LEWEKE

„Ein heißer Coup“. Regie: Marek Kanievska. Mit Paul Newman, Linda Fiorentino, Dermont Mulroney u. a. USA 1999, 85 Min.