Pinochet bleibt immun gegen Kritik

Die Anhörungen zur Aufhebung der Immunität des Ex-Diktators Pinochet beginnen in Chile mit einem kleinen Sieg der Kläger – und dem Nachweis der persönlichen Verantwortung des Generals für zahlreiche Morde während seiner Militärherrschaft

Nur die Diagnose Schwachsinn schützt Pinochet – aber das will er nicht

von BERND PICKERT

Es steht nicht gut für Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet. Der erste Tag des Revisionsprozesses über die Aufhebung seiner Immunität begann mit einer Niederlage für die Verteidiger des Generals: Das Gericht lehnte es ab, den Prozess von neuen Gutachten zur gesundheitlichen Situation des Angeklagten abhängig zu machen. Erst heute, nach Abschluss der dreitägigen Anhörungen, soll darüber erneut beraten werden.

Stattdessen konnten am Mittwoch wie vorgesehen die Ankläger Stellung nehmen. Mittlerweile sind in Chile 146 Klagen gegen Pinochet anhängig. In ihrem ersten Plädoyer konzentrierten sich die Kläger auf die so genannte Todeskaravane vom Oktober 1973. Mindestens 72 Gegner des Militärregimes wurden im Verlauf der Aktion ermordet, die von General Sergio Arellano Stark geleitet wurde. Von 19 Ermordeten fehlt bis heute jede Spur – sie gelten offiziell als „verschwunden“ – und daher fallen diese Morde nicht unter die noch vom Militärregime beschlossenen Amnestiegesetze, die alle zwischen 1973 und 1978 begangenen Verbrechen außer Strafe stellt.

Die Kläger konzentrierten sich in ihren Ausführungen vor allem auf die unmittelbare persönliche Verantwortung des damaligen Diktators. Nach dem Studium von rund 11.000 Aktenblättern ergebe sich die eindeutige Verbindung des Generals Arellano zu den Verbrechen – und nach dem Prinzip der hierarchischen Delegation musste Pinochet als dessen Vorgesetzter nicht nur davon gewusst, sondern die Aktion auch verantwortlich angeordnet haben. Menschenrechtsanwalt Eduardo Contreras zeigte sich zuversichtlich, dass das Gericht die Aufhebung der Immunität auf dieser Grundlage bestätigen würde.

Ende Mai hatte ein chilenisches Gericht bereits einmal entschieden, Pinochets Immunität aufzuheben. Seine Anwälte gingen daraufhin in die Berufung, jetzt sollen weitere Anhörungen Aufschluss bringen. Wann das Urteil verkündet wird, ist noch nicht bekannt, allerdings versprach der Gerichtspräsident eine schnelle Entscheidung. Pinochet genießt bislang Immunität als Senator auf Lebenszeit und als ehemaliger Präsident.

Er selbst nimmt an den Verfahren derzeit nicht teil – er muss auch nicht. Sollte seine Immunität aufgehoben werden, ist er zum Erscheinen verpflichtet, und in diesem Fall wird auch seine Gesundheit erneut untersucht. Allerdings schützt ihn in Chile nur die Diagnose Demenz, also Schwachsinn, vor dem Prozess – und davon will der stolze Senator zum Leidwesen seiner Anwälte nichts wissen.

Parallel zum ersten Anhörungstag wurden drei ehemalige Agenten des Geheimdienstes CNI zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die siebte Kammer des Santiagoer Berufungsgerichtes befand sie für schuldig, am 12. September 1983 den Schreiner Juan Alegría ermordet zu haben – ein perfides Verbrechen, dass zur Verschleierung eines anderen Mordes diente: Im Februar 1982 war ein Gewerkschaftsführer ermordet worden. Unter Hypnose hatte Alegría diesen Mord „gestanden“. Seine eigene Ermordung war später als Selbstmord getarnt worden.