Nervlicher Kraftakt

Die deutsche U 18 gewinnt gegen Kroatien nach 1:2-Rückstand noch mit 3:2 und erfüllt ihre EM-Zielsetzung

STUTTGART taz ■ Atemlos in Stuttgart: Mit einem bewundernswerten Endspurt hat die deutsche U-18-Nationalmannschaft im letzten Gruppenspiel der Europameisterschaft gegen Kroatien einen 1:2-Rückstand in einen 3:2-Sieg umgewandelt, damit das Spiel um Platz drei gegen Tschechien (Sonntag, 18 Uhr, in Aichach) erreicht und gleichzeitig die Qualifikation für die U-20-Weltmeisterschaft 2001 in Argentinien unter Dach und Fach gebracht. Die späten Tore vor 8.000 Zuschauern im Waldau-Stadion erzielten der Frankfurter Christoph Preuß zum 2:2 (75.) und der Dresdener Lars Jungnickel sieben Minuten vor dem Abpfiff zum 3:2. In der ersten Halbzeit hatte der Mönchengladbacher Benjamin Auer zum 1:0 (17.) getroffen, Babic (45.) und Srna (48.) hatten Kroatien in Führung geschossen.

„Es war unglaublich“, schnaufte Kapitän Michael Zepek, „ein einziges Auf und Ab der Nerven, zum Glück mit einem guten Ende.“ Durch Auers frühes Tor auf dem besten Weg zum Erfolg, sah sich die deutsche Mannschaft nach den beiden Treffern der Kroaten plötzlich auf dem vierten und letzten Gruppenplatz, womit man die U-20-WM verpasst hätte. Ausgerechnet die bisher starke Verteidigung hatte sich Patzer geleistet. Das Fracksausen hatte Stielikes Spieler da gepackt, was Torjäger Auer in klaren Worten später ausdrückte: „Einen Augenblick machst du dir da schon Gedanken, Mann, Scheiß, jetzt sind wir weg.“

Einen ausgiebigen Augenblick lang, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Doch als sie ihre Nerven wieder im Griff hatten, zeigten die DFB-Junioren Biss. Ganz nach dem Geschmack ihres Trainers, der sich kompromisslos in Gefahr begibt, Häme zu ernten, wenn er wieder Mal die so genannten deutschen Tugenden ins Spiel bringt. „Ohne Einsatz, ohne Willen, ohne Teamgeist kannst du so ein Spiel nicht mehr herum reißen“, dozierte Stielike mit dem Rest seiner Stimmbänder, der ihm nach anderthalbstündigem, lautstarkem Einsatz am Spielfeldrand noch geblieben war. „Erst das unnötige 1:1, dann gleich nach der Pause noch einen auf die Mütze, so etwas musst du erst mal bewältigen.“ Stielike schüttelte den Kopf, und das bedeutete mehrerlei: das Gefühl, gerade noch Mal davongekommen zu sein, ein Gefühl des Glücks und echte Anerkennung für seine Burschen.

Man stelle sich vor, deutschen Profis wäre es auf solche Weise gelungen, ihre Kritiker Lügen zu strafen, da hätten Hochmut und Selbstgefälligkeit Triumphe gefeiert. Nicht so bei Stielikes Fußballern, die nach dem Auftakt-0:1 gegen Finalteilnehmer Ukraine (Gegner ist Frankreich) von der Boulevardpresse wie die Alten als „Rumpelfüßler“ bezeichnet worden waren. Käpitän Zepek brachte die interne Diskussion auf einen Nenner. „Wir haben uns nicht aufgeregt“, sagte er, „wir haben uns nur gesagt: Das kann’s nicht sein.“ Und mit einem Grinsen im Gesicht: „Jetzt haben wir wohl bewiesen, dass der deutsche Nachwuchsfußball doch nicht ganz so schlecht ist.“

Und selbst ihr Trainer wollte angesichts des Happy-Ends dem „Brimborium in der Presse“ etwas Positives abgewinnen. „Heute schlecht, morgen gut, übermorgen wieder umgekehrt“, meinte Stielike, „so haben die Jungs beide Seiten der Medaille kennen gelernt, und auch das gehört zur Vorbereitung auf den Profifußball.“ RALF MITTMANN