die stimme der kritik
: Betr.: Haruki Murakami

Kann man bis zur Enzephalomalazie koitieren?

Kann man bis zur Enzephalomalazie koitieren? Vulgo: zur Hirnerweichung vögeln? Das ist natürlich eine gute Frage am Ende zu vieler Tage, an denen gestritten wurde bis zur ... nun ja ... Hirnerweichung. Reich-Ranicki vs. Löffler vs. Literaturzeitschrift Bunte vs. eigentlich alle anderen.

Damit endlich Ruhe eingekehrt, ergeht heute ein endgültiges Urteil.

Zunächst aber zurück zur Frage: Kann man, wie das der Schriftsteller Haruki Murakami (im Konjunktiv) vorgeschlagen hat? Schwierig. Einerseits will man nicht an Hirnerweichung leiden, andererseits natürlich trotzdem ein Hengst sein. Da sagt man am besten das, was Fußballer sagen, wenn sie nach ihrer Leistung gefragt werden: „Das müssen andere entscheiden.“ Leute, die sich in beiden der sich überlappenden Bereiche auskennen. Aber wer tut das? Es ist ja bezeichnend, dass sich selbst Dr. Christoph Fischer – der Betriebsarzt von Bild – zu dem Thema noch nicht geäußert hat. Vielleicht muss man zunächst einmal die medizinischen Grundlagen klären. Die Hirnerweichung (Enzephalomalazie) durch Koitus müsste erfolgen infolge Hirnembolie, arterielle Thrombose oder durch chronischen Sauerstoffmangel.

Natürlich könnte es Heiner Lauterbach eigentlich wissen. Oder Gotthilf Fischer. Andererseits kann es einen natürlich auch durch Verzehr von importiertem Rindfleisch erwischen. Oder durch die Love Parade. Oder durch zu viele Jahre „Literarisches Quartett“.

Und damit endlich zur Sache: Haruki Murakami ist ein großer Autor – und die Frage, ob man bis zur Gehirnerweichung vögeln kann oder ob es statthaft ist, ein solche Sprache zu benutzen, ist nicht relevant. Murakami erzählt aus der Innenperspektive eines Mannes (Ende 30), der nicht richtig glücklich ist. Der Mann stellt sich die ewige Frage: War das jetzt schon alles? Ist da nicht noch mehr? Natürlich bedingt die Erzählperspektive, dass „Männerphantasien“ vorkommen. Deshalb ist es noch lange kein „literarisches Fastfood“ (Löffler) – und auch kein „hocherotisches Buch“ (Reich-Ranicki). In der Sache hat aber Reich-Ranicki Recht: „Gefährliche Geliebte“ ist ein gutes Buch. Man sollte es lesen.

Und nun das Urteil: Lesen Sie es. Und zwar am 18. August (gegen 23 Uhr). Und lassen Sie dabei auf jeden Fall den Fernseher aus.

PETER UNFRIED