„Stopp“ oder „go“ auf Datenautobahn?

■ Das Landesbreitbandnetz, ein staatlich finanziertes, supersuperschnelles Intranet in Bremen, könnte der privaten Konkurrenz geopfert werden / Es ist angeblich nicht rentabel genug

Robin Brand von der Firma IT Net Consulting ist enttäuscht: Eigentlich wollte der Geschäftsführer der Zwölf-Mitarbeiter-Firma gerne an das Bremer Landesbreitbandnetz (LBN) angeschlossen werden. Das einzigartige Telekommunikations-Modellnetz, über das Daten bis zu 1.500 Mal schneller verschickt werden können als mit einer herkömmlichen ISDN-Leitung, wollte Brand für seine Firma nutzbar machen und superschnelle Dienstleistungen über das Netz anbieten. Doch nun sieht es so aus, als ob die letzte Stunde für das derzeit bestehende LBN schon Ende des Jahres schlagen könnte. Dann müsste Brand auf die Dienste eines kommerziellen Anbieters wie der Telekom zurückgreifen. Doch deren schnellste Leitung namens TDSL ist nur zehn Mal schneller als ISDN.

Brands Befürchtungen kommen nicht von ungefähr. Der Senat brütet derzeit über der Zukunft des kleinen, landesinternen Netzes, in das seit der Gründung 1996 etliche Millionen an Entwicklungsgeld geflossen sind. Für rund 300.000 Mark hat die Kölner Beratungsfirma „ExperTeam“ ein Gutachten erstellt, was mit dem LBN geschehen könnte. Tendenz: Das von der Bremer Wissenschaft und Wirtschaft genutzte Netz soll in Zukunft ein reines Wissenschaftsnetz werden, weil das Landesbreitbandnetz nicht rentabel sei. Die zehn Kopf große Firma „Bremen Briteline“, die mit der Verbreitung des LBN in Bremen beauftragt wurde, könne zu einem „Kompetenzzentrum“ mit weniger Aufgaben umgestaltet werden. Als Datenbasis für die Empfehlung diente eine Umfrage unter den 144 größten bremischen Firmen und unter den bisher 181 Nutzern (angeschlossene Computer insgesamt: 23.000) des LBN.

Doch an dem Gutachten regt sich Kritik. Auf einem internen Hearing beim Wirtschaftssenator am 26. Juni, als die Ergebnisse in kleiner Runde vorgestellt wurden, hatten vor allem anwesende Wissenschaftler Zweifel an der Validität des Gutachtens: So hatten von den 144 größten Unternehmen nur 33 auf die Fragen geantwortet, dennoch wurden daraus allgemeingültige Prozentzahlen für Bremen ausgerechnet. Auch bei den LBN-Nutzern sahen die Quoten nicht besser aus: Von 181 angeschriebenen Firmen antworteten gerade einmal 36. „Hanebüchen“ urteilt unter anderen Thomas Kämmerich von „Briteline“ über die Ergebnisse. „Das alles kann man noch nicht einmal als Trendaussage werten.“

Verständnis für die Grundaussagen des Gutachtens kommen hingegen von Detlef Hanke, Vorsitzender von Bremen Multimedial“ und Aktivist der Handelskammer. Ein entscheidender Nachteil sei, dass die außergewöhnlichen Übertragungsmöglichkeiten des LBN nur innerhalb des Landes Bremen wirklich ausgenutzt werden könnten, weil es ein Bremen-internes Netz sei. Zudem sei das Modellnetz nur bedingt kommerziell nutzbar, da keine ständige Verfügbarkeit garantiert werden könne. Und schließlich sei die Frage, ob ein Modellnetz wie in Bremen Sinn mache, wenn sich schlussendlich andere Standards durchsetzen – wie zum Beispiel der erwähnte TDSL-Standard der Telekom. „In Bremen fehlt einfach die Power, das größer anzugehen“, sagt Hanke.

Nun wird darüber spekuliert, was mit dem Gutachten, von Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) in Auftrag gegeben, eigentlich bewiesen werden sollte. Denn kaum ein Gutachten wird erstellt, ohne dass dahinter ein Interesse steckt. Anja Stahmann, Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen und vehemente Verteidigerin des LBN, spekuliert, dass die Firma Briteline als „Brautgeschenk“ der Deutschen Telekom zugeschustert werden könnte. Denn die will sich in Bremen stärker engagieren. Ein Kooperationsvertrag zwischen Bremen und der Telekom steht kurz vor der Unterzeichnung. Die Gutachter von ExperTeam weisen darauf hin, dass der Telekom an einer „Systemplattform“ in Bremen gelegen sei, „die definierte Bandbreite, Leistungen, Lösungen und neuste Techniken zur Förderung des Wirtschaftsstandortes Bremen zur Verfügung stellt“. Nichts anderes will und tut derzeit Briteline. Soll hier ungeliebte Konkurrenz aus dem Weg geschafft werden? Jedenfalls hat Bremen sich schon bereit erklärt, ebenso wie die Telekom bis zum Jahr 2005 fünf Millionen Mark für diese Systemplattform zu investieren. Fehlt diese Geld nun für das LBN?

Die Entscheidung über das LBN ist auch eine Entscheidung über die Art von Strukturförderung. So wurde das Breitband-Netz bisher als Möglichkeit gesehen, kleinen und mittleren Unternehmen klar zu machen, wie man superschnelle Leitungen nutzen kann – man könnte auch sagen, die Firmen sollten angefixt werden, um Lust auf schnelle Datenwege zu bekommen. Der Vorteil bisher: Den Anschluss bekamen die Firmen ohne große Kosten gestellt. Zudem wurde das Bremer Netz genutzt, damit Wissenschaft und Wirtschaft ihre immer wieder von der Politik geforderte Kooperationen realisieren können. Ein EDV-Fachmann vom ebenfalls ans LBN angeschlossenen Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, Dr. Hans Pfeiffenberger, bringt es auf den Punkt: „Ich wundere mich, warum man bereit ist, im Technologie-Park der Universität Bremen in die physische Nähe von der Uni und den Firmen zu investieren – und nicht in die technologische Nähe über ein Breitband-Netz“.

Christoph Dowe