Der Fahrstuhl bleibt stecken

Eine gute Leistung der deutschen Fußballerinnen beim 0:1 gegen die USA lässt Bundestrainerin Theune-Meyer trotz des letzten Turnier-Platzes zuversichtlich in die olympische Zukunft blicken

aus BraunschweigMATTI LIESKE

Es klang mächtig nach verkehrter Welt, was die beiden Trainerinnen nach dem 1:0-Sieg der USA gegen das deutsche Team zum Abschluss des Jubiläumsturniers „100 Jahre DFB“ mitzuteilen hatten. „Ich liebe es, die Deutschen Fußball spielen zu sehen“, schwärmte April Heinrichs vom Turniersieger USA, „wenn wir hier etwas mitgenommen haben, dann, dass wir versuchen müssen, ihr schnelles und einfaches Spiel zu kopieren.“ Bundestrainerin Tina Theune-Meyer dagegen lobte „Herz, Power, Energie“ des amerikanischen Teams. „Sie sind immer bereit, alles zu geben, an dieser Siegermentalität müssen wir arbeiten.“ Deutsche Tugenden also bei den Weltmeisterinnen aus den USA, fußballerische Delikatessen im zuletzt als vorwiegend grobmotorisch entlarvten germanischen Kickerwesen?

Zumindest DFB-Vizepräsident Engelbert Nelle wollte sich in Braunschweig auf diese Schiene nicht begeben, denn immerhin war das DFB-Team nach drei Niederlagen auf dem letzten Platz des mit USA, China, Norwegen und Deutschland hochklassig besetzten Turniers gelandet, das Tina Theune-Meyer als „Mini-WM“ und April Heinrichs als „Simulation von Olympia“ bezeichnete. „Ich habe das deutsche Team noch nie in einem solchen Zustand gesehen“, schimpfte Nelle, „es hapert an Schnelligkeit, Athletik und Technik, die Bälle springen ja teilweise zehn Meter weg.“ Gemessen an der Partie gegen die USA eine harsche Kritik, aber als Zustandsbeschreibung für das gesamte Turnier, bei dem sich Norwegen am Samstag durch ein 1:0 gegen China noch den zweiten Platz sicherte, nicht ohne Berechtigung.

„Konditionelle und taktische Defizite“ räumte Tina Theune-Meyer als Hauptgrund für das schlechte Abschneiden ein, doch auch beim besten Spiel des DFB-Teams gegen die USA erwies sich, dass der Gegner schlicht in allen Belangen ein wenig besser war. Die aufmerksame Viererkette der Amerikanerinnen konnte nur durch die Wucht von Birgit Prinz und gelegentlich die Raffinesse von Maren Meinert erschüttert werden, im Spielaufbau waren die USA kombinationssicherer und harmonischer, im Angriff torgefährlicher, auch wenn Mia Hamm und Tiffeny Milbrett die Uneigennützigkeit manchmal übertreiben und die Chancenverwertung ihr größtes Problem bleibt.

„Nach vielen Gesprächen“ (Theune-Meyer) stand die deutsche Defensive – abgesehen von einigen Szenen wie dem Tor von Julie Foudy (57.) – gegen den amerikanischen Edelsturm zwar besser als in den Partien zuvor, doch angesichts des gegnerischen Pressings blieb Abwehrchefin Steffi Jones beim Spielaufbau oft nur der lange, fruchtlose Pass nach vorn. Das von April Heinrichs gelobte schnelle Spiel in die Spitze kostet zudem viel Kraft, und Spielführerin Bettina Wiegmann hatte schon nach dem 1:4 gegen Norwegen angemahnt, man müsse „auch mal das Spiel beruhigen“.

„Es kommt einige Arbeit auf mich zu“, weiß Tina Theune-Meyer, die gute Leistung vom Samstag mache ihr jedoch „Mut mit Blick auf Olympia“. Kollegin April Heinrichs hat zielsicher benannt, was den Deutschen fehlt: „Mehr Geld vom Verband, mehr Zeit für die Vorbereitung.“ Während die US-Spielerinnen seit Monaten zusammen sind und schon 27 Länderspiele in diesem Jahr bestritten haben, sind es für Theune-Meyers Team erst sechs. Nur drei weitere gegen Island, Dänemark und China folgen, bis am 13. September in Canberra das erste olympische Match gegen Gastgeber Australien bestritten wird.

Dennoch will Tina Theune-Meyer diesmal nicht meckern. Zum ersten Mal wurde den Frauen überhaupt Gelegenheit gegeben, sich einigermaßen adäquat auf ein großes Turnier vorzubereiten. Mussten im letzten Jahr kurz vor dem WM die meisten Nationalspielerinnen noch schnell das Pokalfinale bestreiten, wurde diesmal sogar der Beginn der Bundesliga-Saison auf die Zeit nach Sydney verlegt. Dazu bewilligte der DFB eine Million Mark und zehn Wochen Trainingslager. Ohne das, so Theune-Meyer, „hätten wir bei Olympia keine Chance.“ Die Bundesliga sei als Vorbereitung jedenfalls vollkommen ungeeignet. „Es wird langsam gespielt, kein Druck ausgeübt, jede Nationalspielerin kann sich ohne Probleme durchsetzen“, sagt die Bundestrainerin. Beim DFB-Jubiläumsturnier konnten sich die Akteurinnen hautnah davon überzeugen, wie hoch die Qualität im Weltfußball der Frauen geworden ist und wie groß der Unterschied zum gewohnten Betätigungsfeld.

Für einige Spielerinnen könnte sich da im kommenden Jahr manches ändern. Am 1. April startet in den USA die Profiliga Womens United Soccer League (WUSA), und auf dem Wunschzettel von Einkäuferin Lauren Gregg stehen auch einige deutsche Namen. April Heinrichs nannte in Braunschweig spontan die Nummern von Prinz, Meinert, Hingst und Wiegmann, am ehesten scheint jedoch die derzeit verletzte Doris Fitschen mit Amerika zu liebäugeln, wo es 40.000 Dollar Grundgehalt für die Saison, Wohnung, Auto und andere Dinge geben soll. Die 31-Jährige hat sich eine Ausstiegsklausel in ihren Vertrag beim 1. FFC Frankfurt schreiben lassen. Mehr als zwei oder drei Kickerinnen will die WUSA aus Deutschland nicht holen, die aber könnten dann hautnah das Erfolgsrezept studieren, welches April Heinrichs als Grund dafür sieht, dass ihr Team in diesem Jahr zwar nicht immer überzeugt, aber sechs Turniere gewonnen hat: „Wir wählen nicht den Fahrstuhl zum Erfolg, sondern den mühsamen Weg über die Treppe.“ Eine Route, die auch dem deutschen Team in Hinblick auf Olympia nicht erspart bleiben wird. Der Fahrstuhl jedenfalls ist erst mal stecken geblieben.

Deutschland: Rottenberg - Stegemann, Jones (77. Götte), Minnert - Meinert, Wiegmann, Lingor, Hoffmann (74. Smisek) - Prinz, Grings (63. Müller) USA: Mullinix - Pearce, Fawcett, Sobrero (41. Slaton), Chastain (59. Akers) - MacMillan (74. Whalen), Foudy, Fair, Lilly - Milbrett, HammZuschauer: 6.040; Tor: 0:1 Foudy (57.)