ZUM HEULEN: HUNDEHYSTERIE BEI HASSERN UND HALTERN: Kampfmaschine und Kuscheltier
Der Mensch ist ein seltsames Wesen. Erst schreien alle – sehr zu Recht –, dass schleunigst etwas geschehen müsse gegen Kampfhunde, die Kinder und Erwachsene schwer verletzen, tot beißen. Dann treffen sich die Ministerpräsidenten, nehmen sich des Themas mehr oder minder populistisch an und tun tatsächlich einmal relativ schnell etwas. Und das ist dann auch wieder nicht recht. Aus den geifernden Kampfmaschinen werden in der wie ein Hundeschwanz wackelnden Medienöffentlichkeit in Blitzesschnelle wieder kleine, harmlose, und gaaanz, gaaanz liebe Schmusetierchen, denen völlig zu Unrecht ans Kuschelfell gegangen werden soll. Mit Maulkörben, maulen die Hundebesitzer, die statt Gassi dafür auf die Straße gegangen sind, können die Tiere nicht mehr schnuppern, sabbern, lecken, angeleint sind sie in ihrer individuellen Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Hundehalter wie Hundehasser haben Maß und Ziel längst verloren. Mag ja sein, dass auch Umweltministerin Bärbel Höhn, gegen deren Verordnung sich der Unmut der Düsseldorfer Demonstranten am Samstag richtete, den Hund mit dem Bade ausgeschüttet hat. Alle Hunde ab dem Stockmaß von 40 Zentimetern fürderhin dem Leinenzwang zu unterwerfen, ist sicher übertrieben. Wer andererseits der Deutschen Tierliebe kennt, weiß auch um deren neurotischen Volkscharakter, der sich wieder einmal nicht nur in Holocaust-Vergleichen erschöpft. Was eigentlich ist so schlimm daran, wenn Waldis wie Hassos in Einkaufszonen, Fahrstühlen, auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln angeleint geführt werden?
Das Pendel schlägt wie immer allzu weit aus, wenn öffentlich angeheizt wird und unverhohlen gehasst werden darf. Hundebesitzer klagen über Anpöbeleien wie weiland die Raucher. Die Viecher gehören nicht in die Städte, höchstens als Wach-, Blinden- oder Seehunde sind sie zu ertragen. Sie fallen lästig, scheißen und pinkeln an jeder Straßenecke. Wohl wahr und sattsam bekannt. Dass aber nun einerseits Hundebesitzer von stolzen Herrchen und Frauchen zu asozialen Egoisten gemobbt werden, auch wenn sie Hundesteuern zahlen und mit ihren Schäufelchen den Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner hinterherjagen, während Katzenhalter steuerfrei in der Toilette entsorgen, führt dazu, dass sie die Freiheit ihres Getiers verteidigen werden, als seien es Menschenrechte. Die tierischen Zuchtwahlprodukte menschlicher Hybris – augenkranke Albinos, bissige Muskelpakete und spindeldürre Sprinter, Triefaugen und Senkrücken – aber sind ein Missstand an sich. Im Kampf gegen die Kampfhunde müssen die Hundehalter einlenken, denn sie regulieren die Nachfrage und die Auswüchse. HEIDE PLATEN
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