Ein guter Zeitpunkt, alte Rechnungen zu begleichen

Heute berät das CDU-Präsidium über die Niederlage bei der Steuerreform und den künftigen Kurs in der Partei und der Führungsspitze

BERLIN taz ■ Zur heutigen Krisensitzung des CDU-Präsidiums, auf der es um die Niederlage bei der Steuerreform, die Rentenkonsensgespräche und die künftige Strategie der Opposition gehen soll, sind fast alle Teilnehmer eigens aus dem Urlaub nach Berlin gereist – aber Ferienstimmung wird in der Runde wohl kaum aufkommen. Einflussreiche CDU-Politiker haben zu erkennen gegeben, dass der Streit über den künftigen Kurs innerhalb der Partei gerade erst angefangen hat. Auch innerhalb der Führungsspitze. „Wir müssen der Öffentlichkeit interessante Alternativen zur rot-grünen Politik anbieten,“ erklärte der Fraktionsvorsitzende der Union, Friedrich Merz. Seine Parteivorsitzende Angela Merkel meinte dagegen gestern: „Ich halte es für eine eklatante Fehleinschätzung, eine Opposition werde nur mit Themen wahrgenommen, bei denen sie absolut kontrovers der Regierung gegenübersteht.“ Insbesondere bei der Rentenreform gebe es kein einfaches „Entweder – Oder“.

Sie hält Konsensgespräche mit der Regierung über die Rentenreform im Vorfeld der parlamentarischen Debatte prinzipiell für sinnvoll. Merz hingegen sieht den Platz für eine politische Auseinandersetzung im Bundestag und beklagt in diesem Zusammenhang, so einer seiner engsten Mitarbeiter, eine „schleichende Entparlamentarisierung“ in der Bundesrepublik.

Angela Merkel hat außerdem angekündigt, sie wolle „klare Worte“ zur Abstimmungsniederlage im Bundesrat finden, dabei aber im Tonfall „eine gewisse Grundsympathie“ erkennen lassen. Diese geht Friedrich Merz derzeit ab. Er fühlt sich von den Parteifreunden hintergangen, die am 14. Juli entgegen vorheriger Absprache dem Steuerpaket der Bundesregierung zugestimmt haben.

Eine Krise ist immer auch ein guter Zeitpunkt, um alte Rechnungen zu begleichen. Ein solches „Desaster in der CDU-Führung“ dürfe sich nicht wiederholen, forderte der nordrhein-westfälische Oppositionschef Jürgen Rüttgers: „Für diese Niederlage sind viele verantwortlich.“

Wer genau? Der bremische CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann beklagt mangelnde Solidarität von Parteifreunden aus den reichen Bundesländern, weil der geplante Länderfinanzausgleich „die Existenz des Landes Bremen“ in Frage zu stellen drohe. Das will Hessens Ministerpräsident Roland Koch nicht auf sich sitzen lassen. „Geschichtsklitterung“ nennt er den Vorwurf. Die Krisensitzung dürfte munter werden. BETTINA GAUS