Christkinder an die Kette

■ „Für Kinder nicht geeignet“ ist die Niederlassung des Weihnachtsmanns im Schnoor-Viertel / Ein merkwürdiges Schild gibt vielen Besuchern des Geschäfts Rätsel auf

Der Weihnachtsmann hat in Bremen eine Filiale, die das ganze Jahr über geöffnet ist. Dort gibt es alles, was glitzert und prunkt, und das in barocker Fülle: handballgroße Weihnachtskugeln (wetterfest), güldene Zwiebeln, Vorratsgläser voller Zierrat, sogar Engel mit Elektromotor. „Weihnachtsträume“ heißt das Ladenlokal im Schnoor, in dem der Mann mit der roten Kapuze auch sommers gute Geschäfte macht. Doch im Gegensatz zur touristischen Kundschaft ist frei laufender Nachwuchs hier nicht gern gesehen.

„Dieses Geschäft ist für Kinder nicht geeignet“, heißt es lapidar auf einem Papierschild neben der Eingangstür. Und weiter: „Nehmen Sie Ihre Kinder an die Hand. Wir bitten um Verständnis.“ Daneben steht ein hüfthoher Weihnachtsmann mit Innenbeleuchtung und wacht. Wir trauen uns an dem Dicken vorbei und verlangen eine Erklärung für den irritierenden Hinweis – eine Art Leinenzwang fürs Weihnachts-Kind. Dabei kosten viele der Artikel in Griffweite des Nachwuchses gar nicht mal so viel.

„Das ist nicht negativ gemeint“, sagt eine Mitarbeiterin, die eben ein Stück geschliffenes Glas mit Hinweis auf die Feng-Shui-Lehre verscherbeln will („Es tut gut“). Vielmehr denke man an die Gesundheit der kleinen Besucher, die durchaus willkommen seien: Man habe einfach zu viel Zerbrechliches im Angebot. „Die greifen zu und schneiden sich“, sagt die Frau, die namentlich nicht genannt werden möchte, und klopft gegen eine bunte Tiffany-Kugel. Das Schild sei aus Versicherungsgründen angebracht worden. Außerdem: Die jungen Mütter von heute würden ihrem Nachwuchs zu viel durchgehen lassen – „die fassen einfach alles an“. Es sei schon mehrfach etwas passiert.

Wir forschen weiter – schließlich geht es hier um das Epizentrum kindlichen Wünschens und Wollens, mithin um einen besonders sensiblen Bereich. Also: Wie gehen andere Ladenbesitzer mit dem Problem um? Fürchten auch sie, dass außer Rand und Band geratene Kinder elefantengleich durch die Auslagen poltern? Gibt es auch bei ihnen spezielle Vorschriften für die infantile Kundschaft? „Nein“, erklärt Ilse Wessely kategorisch, die im Schnoor eine Boutique für „erlesene Geschenke“ betreibt. Sie setzt lieber auf Blickkontakt zum Kunden und geschickt angebrachte Spiegel, um in versteckten Ecken die Kontrolle zu behalten. Es werde ja auch geklaut.

Die mächtige Konkurrenz will von besonderen Regeln für Kinder ebenfalls nichts wissen: „Bruch und Verderb sind in der Kalkulation mit drin, sicherlich auch bei den kleinen Geschäften“, sagt ein Mitarbeiter der „Haushaltswelt“ eines bekannten Warenhauses, Abteilung Glas & Porzellan. Wenn etwas passiere, zahle eben die Versicherung, „das ist Service“.

Dass der Weihnachts-Laden im Schnoor ein derartiges Schild ins Fenster hänge, sei durchaus O.K., heißt es von Seiten des Einzelhandelsverbandes Nordsee, auch wenn man noch nie von etwas Derartigem gehört habe. Die Besitzerin habe das Hausrecht. Im Prinzip sei das wie auf einer Baustelle: „Eltern haften für ihre Kinder“. Mitarbeiterin Susanne Sermond meint allerdings, dass doch auch Erwachsene für Scherben sorgen könnten: Der Laden sei eben „eng und gefährlich“. Darum parken dort die 2.500 Mark teuren, aus Porzellan modellierten Weihnachts-Schwäne – auch das gibt es – vorsichtshalber in der letzten Reihe. hase