„Kuba hilft, das Wetter zu vergessen“

Obwohl dem Psychiater Wladimir Bikadorow (62) das Klima selbst aufs Gemüt schlägt, muss er wetterfühlige Patienten verarzten. Die beste Medizin gegen langwierige Frost- und Folgeschäden: Reisen in die tropische Ferne

taz: Sind die, die über das anhaltend schlechte Wetter klagen, Weicheier, oder ist die Psyche wirklich in Gefahr?

Wladimir Bikadorow: Na sicher! Das Wetter kann zu Schlafstörungen, Depressionen, Erschöpfungssyndromen oder Magen-Darm-Störungen führen. Aber es gibt nicht nur psychische Störungen, sondern auch Schmerzen wie Atemwegskomplikationen. Es können außerdem auch Embolien oder Blutungen auftreten.

Das sind ja schöne Aussichten! Haben Sie verstärkt Zulauf von Patienten in diesen Tagen?

Jawoll. Interessant ist die Zunahme bestimmter psychiatrischer Ausbrüche, wenn sich Schlechtwetterlagen häufen. Das sind überwiegend Depressionen und auch Migräne und Hautkrankheiten sowieso.

Und Sie verschreiben dann Rezepte mit fünf Stunden Sonne oder wie?

(lacht) Manche nehmen ein Last-Minute-Ticket und versuchen zu verschwinden. Bei denen, die das nicht können, wird es schwierig. Da muss man versuchen, das mit Medikamten abzufangen.

Kann man nur mit Medikamenten helfen, oder gibt es andere Möglichkeiten, die Sonne ins Herz zurückzubringen?

Da muss ich erst mal die Sonne von irgendwo herholen, und das ist gar nicht so einfach! Am besten sind die dran, die zum Beispiel nach Kuba fahren können. Das hilft wesentlich mehr, das Wetter hier zu vergessen.

Die Hauptsaison für Selbstmorde ist ja nicht das Frühjahr, sondern es sind normalerweise die aktiven Sommermonate. Wenn der Sommer aber nun kein richtiger Sommer ist, ist dann die Selbstmordgefahr auch geringer? Mit welchen Folgeschäden müssen wir rechnen?

Die Gefahr ist leider immer da. Man muss immer aufpassen – egal bei welcher Wetterlage. Das ist schon eine ernst zu nehmende Angelegenheit.

Was raten Sie Leuten, denen das Wetter aufs Gemüt schlägt, die aber nicht gefährdet sind, zumindest nicht akut?

Es ist immer irgendwann auch Land in Sicht, es kommt auch wieder Weihnachten (lacht). Man sollte daran denken, dass auch eine Schlechtwetterpriode mal zu Ende geht und bessere Zeiten kommen.

Statt halbnackt im Park zu liegen, kuscheln sich die Menschen zu Hause ins Bett. Steigert das anhaltende Wettertief die Libido?

Wenn die Leute kein Fernsehen gucken, dann vielleicht schon. Aber wenn sie weiterhin trotz des Programms Fernsehen gucken, dann bleibt ein Babyboom aus.

Schlägt Ihnen das Wetter aufs Gemüt?

Ich muss ehrlich zugeben: Mir ist es auch nicht egal. Ich freue mich schon auf meinen Urlaub in Griechenland. Wenn es dort sehr heiß ist, kann man mehrmals am Tag ins Wasser gehen. Aber die Wetterfühligkeit geht mir schon ein bisschen aufs Gemüt, vor allem, wenn es so grau in grau geht.

Sie könnten ja einen Kollegen konsultieren.

Noch ist es nicht nötig, weil ich weiß, dass es am 10. August nach Griechenland geht. Aber sonst könnte es schon sein, dass ich einen Kollegen aufsuchen müsste.

Interview: BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA