Socken, Eimer, flinke Füße

Bei der Weltmeisterschaft in den Mounted Games ist reiterliches Können sowie Harmonie zwischen Mensch und Tier gefordert, um bei Three-Legged-Sack oder Bottle-Shuttle bestehen zu können

aus Bremen OLIVER LÜCK

Das Probierangebot des Hauptsponsors war verlockend. „Für nur 1 Mark“, stand auf dem handgeschriebenen Pappschild, „6 VITAL-TABS + 1 Dose Kraftfutter!“ Trotz Spottpreis hatte das komplette Pflege- und Futterergänzungssystem am vergangenen Wochenende in Bremen allerdings keinen guten Stand. Die Zielgruppe, Zweibeiner aus zwölf Ländern, stiegen auf mitgebrachte Vierbeiner und starteten bei den Mounted-Games-Weltmeisterschaften. Auch Tabletten konnten eine unzureichende Vorbereitung nun nicht mehr wettmachen.

Unter dem Gejohle von den ausnahmslos lackschuhfeindlichen Zuschauerplätzen, die von nur wenigen Besuchern besetzt waren, hetzten die Reiterinnen und Reiter, gekleidet in die knalligen Jerseys ihrer Teams, auf den Ponys los. In der Bahnmitte warfen sie, tief herabgebeugt, die „Socke“ – einen kleinen Stoffbeutel – zielbewusst in einen Eimer. Rasante Kopf-an-Kopf-Rennen. Am Ende der Bahn sprangen sie aus vollem Galopp ab, griffen sich den am Boden liegenden „Strumpf“ und schwangen sich, das Zielobjekt zwischen den Zähnen, wieder auf die bereits angaloppierenden Pferde. Die TeamkollegInnen warteten bereits auf die Übergabe.

„Die Socken müssen in die Eimer“, stellte Mark Skubatz erst einmal klar. Das sei bei Socks and Buckets, einer von über 20 Spielformen, eigentlich schon alles. Es seien aber keine echten Socken und Abfälle, sondern nur so benannte Spielgeräte, die zum Einsatz kommen, erklärte der 22-jährige Hamburger, der bereits zum dritten Mal an einer WM der Mounted Games teilnahm.

Zufällig Vorbeigekommene und Kunden der nahe gelegenen Tankstelle folgten dennoch eher ratlos dem Treiben auf dem kleinen Turnierplatz. Denn Mounted Games sind hierzulande noch wenig bekannte Reiterspiele und erst seit etwa zehn Jahren auf deutschen Koppeln und Wiesen vertreten. Die Namen der Disziplinen, wie Bottle-Shuttle (Flaschen-Pendelverkehr), Three-Legged-Sack (Dreibein-Rennen), Agility Aces (Flinke Füße) oder Litter Lifters (Abfall sammeln) sind gewöhnungsbedürftig und erinnern mehr an Kindergeburtstag denn an Reitsport.

Das hören die Aktiven allerdings überhaupt nicht gerne und ärgern sich daher nicht selten über abfällige Bemerkungen Unwissender. „Viele denken, es sei nur ein Jux“, erzählt Gaby Makowsky, seit knapp einem Jahr Trainerin der deutschen Nationalmannschaft. „Die Leute sehen nicht, dass reiterliches Können und vor allem die Harmonie zwischen Mensch und Tier dazugehören.“ Sporen und Gerte sind ebenso verboten wie der Gebrauch von Zügeln. Allein mit Schenkeldruck und Gewichtsverlagerung müssen die Ponys über den Parcours dirigiert werden.

Die Ursprünge der Sportart gehen einige Jahrhunderte zurück. Auf den Höfen der indischen Maharadschas wurden die Wettkämpfe erstmals ausgeritten. Auf dem Kolonialweg kamen sie schließlich nach Großbritannien, wo sie schnell populär wurden. Über die Jahre standardisiert und perfektioniert, entwickelten sie sich zu einem rundum britischen Sport. Heute werden während einer Saison zahlreiche Turniere, so genannte „Gymkhanas“, veranstaltet – was, aus dem Indischen sinngemäß übersetzt, „ein Tag auf dem Rücken eines Pferdes“ bedeutet.

Den erfolgreichsten Dialog zwischen Zwei- und Vierbeiner lieferte somit erwartungsgemäß die englische Mannschaft. Mit deutlichem Vorsprung wurde – wie auch schon in den Jahren zuvor – der WM-Titel gesichert. Auf der Insel sind mittlerweile weit über 100 Clubs in zwei Verbänden organisiert. Höhepunkt eines jeden Reiterspiel-Jahres ist die Meisterschaftsendrunde im Rahmen der „Horse Of The Year Show“ im Wembleystadion.

Das deutsche Quintett, dessen größter WM-Erfolg bis dato Platz zwei im B-Finale gewesen war, steigerte sich im Turnierverlauf stetig, setzte zum größten Coup seiner Geschichte an und wurde vor Belgien Vize-Weltmeister. „Wir haben in den letzten Jahren einen riesigen Schritt nach vorne gemacht“, betonte Nationaltrainerin Makowsky. Mittlerweile seien rund 40 Mannschaften im Verband gemeldet, die regelmäßig an Turnieren teilnehmen. Makowsky: „Auch wir mussten so große Anfangsprobleme wie Norwegen durchmachen.“

Die norwegische Equipe saß erstmals bei einer WM auf Ponys, die allerdings keine Lust zu haben schienen. Die heimischen Fjorde im Kopf, legten sie entweder wahre Pirouettenwirbel auf die Bahn, bewegten sich betont bockig gar nicht vom Fleck oder ignorierten in reiterloser Freiheit die eigentlich nicht zu übersehenden „Durchritt verboten“-Schilder. Dem Grundgedanken, die Spiele möglichst schnell zu bewältigen, war dies nicht sonderlich zuträglich. Die Norwegerinnen mühten sich zwar redlich, kleinere Blessuren und der letzte Rang im B-Finale waren jedoch unvermeidbar. Deutschland hingegen ist nun wer. Auch ohne Kraftfutterzusatz.