Immer Ärger mit Tony

Eine auf Regierungsdruck untersagte TV-Fusion auf der Insel sorgt für Goldgräberstimmung im Fernsehmarkt und brüskiert einen Labour-nahen Lord. Ganz nebenbei ebnet sie der RTL-Group den weiten Weg nach Großbritannien

Es war fast so schön wie die geplatzte Hochzeit von Dresdner und Deutscher Bank: In Großbritannien ist Ende letzter Woche die lang angekündigte Fusion zweier Medienunternehmen spektakulär danebengegangen und die Neuaufteilung des Fernsehmarkts auf der Insel plötzlich offener als je zuvor. Und ausgerechnet der Bertelsmann-dominierte Senderverbund RTL Group könnte vom Außenseiter zum key player werden.

Die britischen Fernseh- und Produktionsunternehmen Carlton Communications und United News and Media (UNM) sagten ihren seit langem geplanten Zusammenschluss ab. Gemeinsam wären sie zum größten britischen TV-Anbieter geworden und hätten die ursprünglich regionale dritte Senderkette ITV in ein Einheitsprogramm und damit eine Art britisches ZDF verwandelt. Grund für das Scheitern sind die drastischen Auflagen der Kartellbehörden: Sie wollten die Fusion nur genehmigen, wenn sich UNM von seiner größten und profitabelsten TV-Station Meridian trennt.

Zukunft als Verlag

Dies wiederum hätte die Logik des gesamten Zusammenschlusses ad absurdum geführt, weshalb UNM nicht nur den Deal absagte, sondern gleich seine gesamten TV-Beteiligungen auf den Markt schmiss und künftig als reines Verlagsunternehmen weitermachen will.

Der lachende Dritte beim Tauziehen um den entschieden Einfluss im britischen Privatfernsehen ist die Granada Media Group: Sie besitzt die lukrativen ITV-Sender für London und den Norden Englands und hatte durch ein eigenes Angebot für Carlton und offenbar extrem erfolgreiche Lobbyarbeit Richtung Kartellbehörden und Regierung schon seit Monaten versucht, die Fusion zu verhindern.

Sogar einen lachenden Vierten gibt es: die eben erst aus der Fusion der alten RTL-Holding CLT-Ufa mit dem britischen TV-Unternehmen Pearson Television enstandene RTL Group. Denn jetzt, spekuliert der Guardian, dürften sich Granada und Carlton die UNM-Beute aufteilen – falls nicht noch andere Interessenten zugreifen. Laut UNM-Darstellung laufen bereits Gespräche mit der RTL Group, auch der französische Privatsender TF 1 und Berlusconis Medienholding Mediaset werden als Intessenten genannt. Als sicher gilt, dass die RTL Group den UNM-Anteil am landesweiten Privatsender Channel 5 übernimmt, der ihr bereits mehrheitlich gehört. Dessen erst 1997 gestartetes Programm ist zwar längst nicht so erfolgreich wie ITV, ließe sich so aber endlich nahtlos in die europaweite RTL-Senderfamilie von den Niederlanden bis nach Polen und Ungarn einbauen.

Politisch pikant

Die geplatzte TV-Fusion hat überdies eine nicht zu unterschätzende politische Komponente: Tony Blairs New-Labour-Regierung hat durch ihre Medienpolitik Granada eindeutig begünstigt und UNM-Chef Lord Hollick klar brüskiert. Kleiner Schönheitsfehler: Der Lord ist ein enger Blair-Vertrauter und trägt seinen Adelstitel wegen seiner Verdienste um die Labour-Partei.

STEFFEN GRIMBERG