Telekom kauft sich in USA ein

Der US-Mobilfunker VoiceStream wird gut 100 Milliarden Mark kosten. Der Deal soll auf Dauer hunderte Millionen neuer Kunden bringen. Bundesregierung verliert Mehrheit am Ex-Monopolisten

von REINER METZGER

Es ist geschafft, endlich will sich ein wertvolles US-Unternehmen von der Deutschen Telekom kaufen lassen. Das Mobilfunk-Unternehmen VoiceStream wird ab dem ersten Halbjahr 2001 eine Tochter der Deutschen sein, wie die Telekom gestern mitteilte.

Den Aktionären werden bei gegenwärtigem Kurs 3,2 T-Aktien für eine VoiceStream-Aktie geboten – plus einer Prämie von 30 Dollar pro Stück. Bei 259 Millionen Aktien der US-Firma entspricht das derzeit gut 50 Milliarden Dollar, über 100 Milliarden Mark. Die Telekom kauft darüber hinaus noch 5 Milliarden Dollar Schulden mit. Die Aufsichtsräte haben nach Firmenangaben der Fusion schon am Sonntag zugestimmt.

Was VoiceStream für die Telekom derart wertvoll macht: Der Mobilfunker ist einer der größten im US-Geschäft und der einzige mit einem US-weiten Mobilfunknetz im europäischen Standard GSM. Den nutzt auch die Telekom-Tochter T-Mobil, was einen Zusammenschluss wesentlich erleichtert und effektiver macht. Die Bonner Firmenzentrale schwärmte denn gestern auch schon von „375 Millionen potenziellen Kunden“ – sie hat einfach alle technisch erreichbaren US-Bürger zu ihrem derzeitigen Bereich hinzugerechnet.

Derzeit hat die VoiceStream Wireless Corporation 2,3 Millionen Kunden und fährt noch satte Verluste ein. Aber sie war eine der letzten freien Mobilfunkfirmen der USA, und sie wächst schnell. Und Telekom-Chef Ron Sommer hat nicht nur eine prall gefüllte Barkasse, sondern auch die Währung, die heutzutage für Großfusionen nötig sind: Aktien. Denn sein Unternehmen ist mit einem derzeitigen Wert von etwa 340 Milliarden Mark das Schwergewicht der deutschen Börse. Die Telekom-Hauptversammlung am 25. Mai hat ihm gerade eine Kapitalerhöhung genehmigt, Sommer kann also neue Aktien ausgeben. Diesmal sollen es knapp 830 Millionen Stück sein. Die aufwendige Zustimmung der Kleinaktionäre, die die britische Vodafone beim Kauf von Mannesmann einholen musste, entfällt also.

Die bisherigen T-Aktionäre werden künftig weniger Anteile an der dann größeren Telekom AG halten, weil ja mit den heutigen VoiceStream-Eignern neue Mitinhaber hinzukommen. Der Anteil der Bundesregierung wird laut Sommer von derzeit 58 auf 45 Prozent fallen. Damit hat die Bundesregierung keine Mehrheit mehr am einstigen Monopolisten. Das Finanzministerium hat aber auch schon erklärt, dass es die T-Aktien so schnell wie möglich abstoßen will und an einem bestimmenden Aktienanteil kein Interesse hat.

Als größter neuer T-Aktionär wird mit künftig etwa 4,6 Prozent VoiceStream-Großaktionär Hutchinson Whampoa hinzukommen. Die Firma mit Sitz in Hongkong hält derzeit 22 Prozent an VoiceStream. Insgesamt werden die heutigen US-Aktionäre 22 Prozent an der Deutschen Telekom AG besitzen.

Wenn der Handel auch das Okay der Kartellbehörden bekommt, könnte es noch politische Hürden geben: Es wäre das erste Mal, dass eine ausländische Firma mit staatlichem Großaktionär eine US-Telefonfirma kauft. Und dagegen stemmen sich eine Reihe von US-Senatoren, die sogar eine Gesetzesinitiative eingebracht haben, die einen solchen Deal untersagt. Welche Aussichten die Initiative hat, ist völlig unklar. Möglicherweise keine besonders großen. Die zuständige US-Behörde Federal Communications Commission hat allerdings in einem Brief an die Senatoren in der vergangenen Woche angekündigt, dass der Erwerb eines US-Telefonunternehmens durch die Deutsche Telekom eine genaue Untersuchung nach sich ziehen würde.

Unterdessen ist man bei der Telekom frohgemut. Wie sie vorrechnet, kostet ein potenzieller Kunde („point of presence“ genannt) etwa 280 Dollar – die 220 Millionen theoretisch erreichbaren Kunden mitgezählt. Das sei nur ein Drittel dessen, was Vodafone für Mannesmann bezahlt hat. Ein Hundert-Milliarden-Mark-Sonderangebot sozusagen. Anders sieht es aus, wenn man die Kosten pro derzeitigem Kunden ermittelt: Das wären dann weit über 20.000 Dollar, ein Rekord selbst für die hoch bewertete Mobilfunk-Branche. Sommer räumte gestern auch ein, „dass man diese Transaktion nicht gerade als besonders preiswert bezeichnen“ könne. Er gehe aber davon aus, dass die Kosten für mögliche Beteiligungen „eher weiter steigen werden“.

Die Börsenhändler sind davon keineswegs überzeugt. Die T-Aktien fiel weiter, gestern bis zum Mittag um mehr als 4,5 Prozent auf 52,65 Euro. Wegen des hohen Preises hatte das Papier in den vergangenen Tagen bereits deutlich an Wert eingebüßt.

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