Nicht wichtig genug?

Muslime fühlen sich nach Anschlägen auf Moscheen allein gelassen.Der Generalbundesanwalt sieht noch keinen Grund aktiv zu werden

von LUKAS WALLRAFF

Nein, Probleme zwischen Türken und rechten Gruppen habe es in Uetersen bisher nie gegeben. Das betonen nicht nur Polizei und Bürgermeister in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt, das bestätigt auch der örtliche Vertreter der Türkisch-Islamischen Union: „Ich kann mir das nicht erklären, so etwas haben wir noch nie erlebt.“ In der Nacht zum Samstag hatten unbekannte Täter einen Brandsatz auf das Gebetshaus der türkischen Gemeinde geworfen. Der Molotowcocktail verfehlte nur knapp ein Fenster des Gebäudes, in dem auch türkische Familien wohnen. Weil ein politischer Hintergrund „nicht auszuschließen“ ist, hat das Landeskriminalamt gestern den Fall übernommen.

Was in der idyllischen „Rosenstadt Uetersen“ alle überrascht hat, reiht sich ein in eine Serie von Anschlägen gegen muslimische Einrichtungen. Allein in den letzten drei Wochen gab es bundesweit mindestens drei Anschläge auf islamische Gotteshäuser (siehe Kasten).

„Leider wird diese Zunahme nicht ernst genommen“, kommentierte Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, den jüngsten Anschlag. Es müsse endlich wahrgenommen werden, dass es „gezielt islamfeindliche Aktionen“ gebe. Das Problem dürfe nicht als „normale Fremdenfeindlichkeit“ abgehakt werden. Seiner Meinung nach wäre es „mehr als angebracht“, wenn sich der Generalbundesanwalt einschalten würde. Das wäre „ein Signal“, dass islamfeindliche Gewalt nicht toleriert werde.

Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte im April nach dem Anschlag auf die Erfurter Synagoge die Ermittlungen an sich gezogen, „weil die innere Sicherheit Deutschlands gefährdet“ worden sei. Für den Anschlag wurden zwei rechtsextreme Jugendliche zu Haftstrafen verurteilt, einer legte gestern Revision ein. Nach den Anschlägen auf Moscheen hält sich Nehm dagegen zurück. „Bei Kirchen würden wir es auch nicht machen“, so seine Sprecherin. Der Generalbundesanwalt müsse nur eingreifen, wenn „eine besondere Bedeutung des Falles“ erkennbar sei.

Für Salim Abdullah, den Leiter des Zentralinstituts Islamarchiv, ist Nehms Zurückhaltung symptomatisch für den Umgang mit islamfeindlicher Gewalt. „Es wird erst dann etwas geschehen,“ vermutet Abdullah, „wenn etwas ganz Schreckliches passiert.“ Nach den Anschlägen der letzten Zeit herrsche „natürlich eine gewisse Furcht unter den Muslimen“. Solidarität gebe es kaum, weder von Politikern noch aus der Bevölkerung. Im Gegenteil, „die Stimmung gegen Muslime ist aufgeheizt“. Schuld daran sei auch die Berichterstattung der Medien, „wo Muslime oft mit Fundamentalisten gleichgesetzt werden“. Solidarität komme bemerkenswerterweise „vor allem von jüdischer Seite“. Schon Ignatz Bubis habe den Dialog gesucht, und auch jetzt biete der Zentralrat der Juden seine Unterstützung an – „das tut uns gut“.