Jerusalem – die verfluchte Stadt
: Koalitionspoker und erneutes Hoffen

WIE WAREN DIE REAKTIONEN VOR ORT?

JERUSALEM taz ■ In der israelischen Knesset lief gerade die Debatte über Verzichte auf Gebiete in Jerusalem, als die Nachricht vom Scheitern des Gipfels eintraf. Zwar setzten die Abgeordneten die Debatte fort, parallel formierten sich indes Gruppen, die bereits über mögliche Neukonstellationen einer Regierungskoalition berieten. Nathan Scharansky, Chef der Immigrantenpartei Israel Be-Aliya, der seit Wochen für die Gründung einer großen Koalition unter Einbeziehung des Likud appelliert, sah sich infolge des gescheiterten Gipfels bestätigt. Möglich sei nun auch eine Rückkehr der National-Religiösen Partei und sogar der orientalisch-orthodoxen Schas in die Regierung.

„Wir sind besser als Barak und bevorzugen Neuwahlen“, lehnt der Likud-Poliker Silwan Schalom eine Koalition mit der Arbeitspartei ab. Der Oppositionspolitiker bedauerte, dass Barak „entgegen unserer Warnung, dass die Zeit noch nicht reif ist“, zu den Verhandlungen nach Camp-David gefahren ist. Trotz seiner Bereitschaft zu „großen Eingeständnissen haben die Palästinenser bewiesen, dass sie zum Frieden nicht bereit sind“. Schalom fürchtet zudem, dass Barak, indem er den Palästinensern Verzichtsbereitschaft signalisiert hat, „künftigen Premierministern die Arbeit erschwert hat“. Mit Blick auf mögliche Auseinandersetzungen, meinte Schalom: „Die Palästinenser müssen wissen, dass sie, wenn sie Gewalt anwenden, einer vereinten israelischen Front gegenüberstehen.“

Siad Abu-Siad, Jerusalem-Beauftragter der Autonomiebehörde, hofft indes darauf, dass Gewalt verhindert werden kann, obwohl „die Gefahr neuer Unruhen immer existiert“. Abu Siad, der stets prophezeite, dass die Verhandlungen an der Jerusalemfrage scheitern werden, sieht den Grund darin, dass „sich beide Seiten schwer damit tun, die Wichtigkeit der Stadt für die jeweils andere Seite zu begreifen“. Auch aus den Reihen des linken Parteienbündnisses Meretz wird die Hoffnung laut, dass „das Ende kein Ende ist“, so die Abgeordnete Naomi Chasan. Möglicherweise werden die beiden Seiten „schon in kurzer Zeit an den Verhandlungstisch zurückkehren“.

SUSANNE KNAUL