UFOs über Barmbek und Bogota

■ Bunte Inspirations-Funken im Briefkasten: Selbst gemachte Kunstwerke auf 600 Photographic Postcards aus aller Welt im Museum für Kommunikation

Manche haben schon mit der Kinderpost gespielt, andere lieben es, kleine Fotocollagen herzustellen, aber damit 75 meist fremde Menschen einander Künstlerpostkarten zusenden, bedarf es weiterer Motivation. Als solche tritt die Hamburger Fotokünstlerin Carmen Oberst auf, die einen weltweiten Kreis zum Kunstversand im kleinen Format animiert hat. Sechshundert Künstlerpostkarten zeigt jetzt das Museum für Kommunikation in der ehemaligen Oberpostdirektion am Stephansplatz.

Die Idee, mit Hilfe selbst erstellter Postkarten Kunst zu machen, ist fast so alt wie die in Deutschland 1870 eingeführte „Correspondenzcarte“ selbst, doch in den Zeiten der elektronischen Kommunikation scheint es noch merkwürdiger, selbstgemachte Postkarten zu verschicken. Aber warum auf das Erlebnis real existenter Objekte verzichten? Jedenfalls sprühen so, wie es ein Teilnehmer sagt, „bunte Funken aus dem Hausbriefkasten“ und Karten aus Barmbek und Bogota, Jork und New York treffen ein.

Schon seit den Mail-Art-Aktionen der Fluxusbewegung in den 60-er Jahren entspricht das Versandgut höchst selten den offiziellen Versendevorschriften. Manchmal schweißt die Post die Sendungen sogar in Plastik ein. Doch angestoßene Ecken und andere Transportschäden sind akzeptierte Ergebnisse der Reise der Karten durch die Welt. Und wenn Kratzer UFO-artige Markierungen in den farbigen Bildraum hineinsetzen, baut diese Veränderung auch neue Bedeutung auf.

Dabei sind die kleinen Kunstwerke nicht nur Arbeiten aus der eigenen Dunkelkammer. Die „Internationale Foto-Unikat-Postkarten Aktion“ spiegelt die ganze Breite heutigen Einsatzes der Fotografie. Für die eine ist sie Hilfsmittel zur Inspiration als Malerin, ein anderer bricht ihre Abbildlichkeit, eine dritte findet in ihr ein Ausdrucksmittel der Gefühle. Wieder andere bauen visuelle Fallen auf oder verschicken patchworks, deren Zusammenhang sich erst später he-rausstellt: geteilte Mitteilung als verlängerte Überraschung wie bei Britta Hentrichs „Goethe Platz“ oder dem Fotogemälde von Martin Conrad.

Die künstlerischen Inhalte differieren stark. Da werden Nachtaufnahmen von Streiflichtern auf dem Asphalt gemacht oder Körperstudien im Spiegel. Da gibt es Abklatschkopien und andere Umdrucktechniken, Verzerrungen des Motivs und Faltungen der Karte, Collagen und andere Techniken, die dritte Dimension einzubringen. Anke Claussen betont die Vernetzung der Gruppe bildhaft durch Netzprojektionen, und Nils Hagelstein näht Fotostoffe wie kleine Kissen zusammen. Kamera, Polaroid, Kopierer und PC-Scanner sind gleichberechtigte Fotomaschinen, und Zeichnungen und Farbe ergänzen einzelne Karten zu einem Mikrokosmos künstlerischer Möglichkeiten.

Auch die Rückseite der Karten ist wichtig, selbst wenn die Intensität des Dialoges zwischen den IFUPA-Mitgliedern sehr unterschiedlich ist. Es kommt auch vor, das jemand das zugesandte Bild in New York in den Computer einscannt, verändert und als visuellen Kommentar zurückschickt.

Die zeitlich immer wieder aufs Neue gebrochenen Kommunikationshappen aus Text und Bild, die da frei Haus angeflogen kommen, ähneln dem Surfen im Internet, doch das Postspiel ist weitaus individueller. Und es ist ein gutes Beispiel für eine Kreativität mit geringer Produktionsschwelle: Man muss nicht etwas Weltbewegendes herstellen, und es gibt immer eine zweite Chance für die Variante eines Gedankens.

Hajo Schiff

„Photographic Postcards“, Museum für Kommunikation, Ste-phansplatz 5 (Eingang Gorch-Fock-Wall 1), Di - So 9 - 17 Uhr, bis 20. August; Katalog 25 Mark