Pausenlose Dauerplage

Die Hölle, sie hat gesiegt, das Böse, es ist längst unter uns. Unbemerkt kam es durch das geöffnete Fenster herein, und wir werden es nicht mehr los: das teuflische Talktier Fliege

Dass der Leibhaftige bisweilen in Gestalt von Gottesdienern auf die Erde herabsteigt, ist nicht neu. Beflissene Kinogänger wissen das spätestens seit „End of Days“ und sind darin geschult, die listige Mimikry zu enttarnen.

Niemand aber hatte offenbar einen topfschnittigen Talkmaster auf der Rechnung, der sein Pfaffentum wie eine Erektion vor sich herträgt. Dabei zeigt sich doch schon im Namen der Inkubus: Fliege! Ein auf den ersten Blick harmloses Insekt, was da so leutselig an der Mattscheibe klebt – doch für den geschulten Geist ein eindeutiger Hinweis, ja ein Bocksfuß gar. Ein Griff zu gängigen Nachschlagewerken christlicher Symbolik genügt, um in der Fliege ein geradezu klassisches Teufelssymbol zu erkennen, und dass „Herr der Fliegen“ bei den Kirchenvätern „und auch noch bei Goethe“ gleichbedeutend mit Beelzebub ist, erfährt man so obendrein.

An diesen offensichtlichen Tatsachen wurde bisher glücklos vorbeigeschrieben. Und das bei aller Kritik, die das verlogene Tun des Tartuffe bei wachen Geistern auslöste, die sich zur Höchstform an ihm rieben: „Sekundentröster, der seine Eitelkeit mit der Pein seiner Gäste füttert“, und „Medienkapitalismus, der sich in Gestalt eines ARD-Pastors zur Religion aufbläht“, blaffte Die Zeit. Douze points! Doch bald legte sich der Protest gegen die mediale Dauerplage, und Resignation machte sich breit, bei gleich bleibendem Erfolg der Sendung. „Fliege läuft außer Konkurrenz“, konstatierte die Süddeutsche matt. Wurde einmal die Frage nach höheren Mächten gestellt? Mitnichten.

Dabei ist die Strategie des Pastors im Wartestand wahrlich satanisch, hat er doch die wohl gutmütigste und anfälligste Zielgruppe ins Visier genommen: die deutsche Großmutter. Und ich rede nicht von der üblichen Überfütterung durch dumpf machendes TV-Konfekt, in gerade noch mundgerechte Zeiteinheiten gewürfelt. Nein, hier es geht um Seelenklau im großen Stil.

Vor kurzem besuchte ich meine Oma auf ihrer Nordseeinsel. Dass sie mir keine selbst gemachte rote Grütze mehr auftischte, bemerkte ich zwar gleich, Anlass zu Verdacht sah ich darin keinen. Doch anstatt mir bei prasselndem Kaminfeuer vom Torfstechen im norddeutschen Flachland, den Kriegswirren und BDM-Histörchen zu erzählen, sah sie tagaus, tagein mit verklärtem Blick des Pfarrers schlimme Sendung, und jedesmal musste ich mir anhören, was für ein wunderbarer Mann dieser Jürgen Fliege doch sei, so weise und gütig et cetera. Da wurde mir klar: Hier ist ein Omi-Snatcher am Werk! Wenn man das hochrechnet, bei der Quote, nicht auszudenken. Was hier an Oral History wegbricht, müsste jeden ernsthaften Historiker auf den Plan rufen. Der Generationenvertrag ist in Gefahr, was also tun?

Auf die Kirchen jedenfalls ist kein Verlass. Dass die Protestanten diesen „Elmer Gantry“ in ihren Reihen dulden, kann bei einer solch ritenarmen, anämischen Gemeinschaft niemanden ernsthaft verwundern. Wie soll in diesem Milieu ein gesundes Gespür für metaphysische Polaritäten gedeihen? Dass aber auch der sonst untrügliche Antichrist-Radar der römisch-katholischen Kirche einen blinden Fleck hat, erstaunt dann doch. Schließlich konnte Fliege sich jüngst beim Katholikentag einschleichen, um sich mit wiedergekäuten Pseudo-Kritizismen ins Gerede zu bringen.

Doch mehren sich die Anzeichen einer Trendwende. Des Pastors Gattin ergriff kürzlich bereits die Flucht, „weil er mit zu vielen anderen Frauen betet“, wie die Bunte genüsslich feststellte. Diese Promiskuität kann nicht ganz so spirituell sein, mag sich Gattin Ulrike nach 19 Jahren gedacht haben und zog die Konsequenzen. Andere Abtrünnige raunen dunkel: „Er kann keine eigene menschliche Wärme erzeugen. Er nimmt sie von anderen. Er saugt sie aus“, heißt es unter „Freunden aus seinem Tross“ (Bunte) über den „Mini-Rasputin“. Selbst eine Fliege-Adeptin der ersten Stunde, die 62-jährige Helena Wilhelmi, hat sich nach einem Tag in der Gesellschaft des Meisters mit Grausen von ihm abgewendet. Schaudernd vertraute sie dem bunten Blatt an: „Er ist derb, vulgär, fast ein Prolet.“ Möge dieser Brandsatz in recht vielen Fanklubhäusern lodern. Welche mutige alte Dame folgt ihr nach? Warten wir auf weitere Enthüllungen. Noch ist pausenlos Sommerpause.

JUTTA VON ZITZEWITZ

Hinweis:Des Pastors Gattin ergriff kürzlich bereits die Flucht, „weil er mit zu vielen anderen Frauen betet“