Tourist in Kaschmir vermutlich tot

Deutscher wurde Zeuge eines Mordes. Guerillatruppe kündigt Waffenruhe an. Sie will Gespräche mit Indiens Regierung

DELHI taz ■ Keine zwei Wochen nach dem Mord an einem deutschen Touristen in der Himalaya-Region Indiens ist noch ein Trekker aus Deutschland in Kaschmir erschossen worden. Im Gegensatz zum ersten Mord, bei dem wohl Diebstahl das Motiv war, ist der 48-jährige Rolf Günter Herfurth aus Frankfurt wahrscheinlich von kaschmirischen Rebellen verschleppt und ermordet worden. Er musste dafür bezahlen, dass er Zeuge eines Mordes an drei Mönchen in der Zanskar-Region von Ladakh wurde.

Laut einem Bericht der Zeitung Asian Age, die sich auf den offiziellen Polizeibericht stützt, bestätigten Hirten aus der Region Doda, dass die schwer bewaffneten Rebellen Herfurth nach einem Streit niederschossen und die Leiche zurückließen. Die Hirten beschlossen daaraufhin in einer Dorfversammlung, die Leiche in eine Gletscherspalte zu werfen, um nicht von der Polizei belästigt zu werden. Der Bericht wurde von der Deutschen Botschaft in Delhi nicht bestätigt.

Das Zanskar-Tal ist eine beliebte Trekking-Route. Bisher war es von Rebellentätigkeit, wie sie für die westliche Kaschmir-Region typisch ist, verschont geblieben. Der letztjährige Krieg in Kargil, dem Hauptort des Bezirks Zanskar, hat aber gezeigt, dass auch diese Region für die Infiltration aus Pakistan benutzt wird, seitdem die indische Armee die Zugangswege weiter westlich besser unter Kontrolle hat.

Die Bekanntgabe des Mords fällt zusammen mit der Ankündigung einer dreimonatigen Waffenruhe durch die Hizbul Mudschaheddin, der mit rund 3.000 Kämpfern stärksten Guerrilla-Organisation. Damit soll eine Atmosphäre für Gespräche mit der indischen Regierung geschaffen werden, sagte Hizbul-Führer Dhar. Hizbul ist der militärische Arm der Jamaat-Islami-Partei. Sie führte ihren Kampf bisher – im Gegensatz zu Pro-Unabhängigkeits-Gruppen – als „Heiligen Krieg“ (Dschihad), der Kaschmir in den Schoß der islamischen Gemeinschaft, sprich: Pakistan, führen sollte. Gespräche gehören bisher nicht zur Philosophie des Dschihad.

Eine Reihe von anderen Gruppen haben daher negativ auf das Angebot reagiert. Dagegen hat sowohl das Oberkommando der Armee in Srinagar wie auch ein Sprecher der indischen Regierung den Schritt begrüßt. Danach betonte Ministerpräsident Atal Bihari Vajpayee jedoch, dass Gespräche auf der Grundlage der indischen Verfassung zu führen seien. Damit kann die Zugehörigkeit von Jammu und Kaschmir zu Indien nicht in Frage gestellt werden. BERNARD IMHASLY