Ein Held kehrt heim

Jassir Arafat hat das Image des ewigen Verlierers abgeschüttelt. Selbst seine Gegner zollen ihm ob seiner Standhaftigkeit Respekt

BERLIN taz ■ Die Palästinenser sind mobilisiert. Mit Demonstrationen, Hupkonzerten und einem zweistündigen Generalstreik bereiteten sie sich gestern auf den Empfang ihres neuen und alten Helden vor: Jassir Arafat. In den Augen der Palästinenser hat er 15 Tage und Nächte allen israelischen Verlockungen und amerikanischen Zwängen standgehalten und Jerusalem nicht für ein Linsengericht verkauft. Das wird ihm in der gesamten arabischen und muslimischen Welt hoch angerechnet. Das Image des ewigen Verlierers, das ihm wegen immer neuer Konzessionen und vager Kompromisslösungen im Friedensprozess anhaftete, hat er mit einem Mal scheinbar abgeschüttelt. Selbst seine innerpalästinensischen Gegner in den Flüchtlingslagern des Libanon oder der syrischen Hauptstadt zollen ihm Respekt und Beifall. „Der Alte“ mit einem Mal ganz oben?

Arafat ist ein viel zu erfahrener Politiker, um den Verlockungen des Augenblicks zu erliegen. Er wird seine gewachsene Popularität nutzen, um sich neuen Verhandlungsspielraum zu schaffen. Auch gegenüber dem eigenen Volk. Die angekündigte Staatsproklamation am 13. September kann er jetzt – um weiterer Verhandlungen willen – verschieben, ohne als Umfaller oder gar Verräter dazustehen. Das chaotische Bild der israelischen Innenpolitik ermöglicht ihm überdies neues Atemholen.

Doch wenn die Tage des Jubels vorbei sind und der zermürbende Alltag in den autonomen palästinensischen Fleckenteppich zurückgekehrt ist, wird Arafat die Geister wieder besänftigen müssen, die er jetzt aus der Flasche gelassen hat. Die vielfach herbeigerufene Möglichkeit einer neuen Intifada hat Arafat de facto nicht. Ein Gewaltausbruch in den besetzten Gebieten würde ihn den Rest an internationaler Glaubwürdigkeit kosten, die wegen des Scheiterns in Camp David ohnehin ramponiert ist. Wenn er seinen Lebenstraum erfüllen und der erste Regent eines international anerkannten palästinensischen Staates werden will, dann wird er seinem Volk, nicht nur in der Jerusalemfrage, noch schmerzliche Kompromisse abverlangen oder sich von seinem Lebenstraum verabschieden müssen. Viel weiter, als sich Ehud Barak vorgewagt hat, wird zu Lebzeiten Arafats kein israelischer Führer gehen. GEORG BALTISSEN