Diepgen soll ein Konzept in Auftrag geben

Lea Rosh, Vorsitzende des Fördervereins für das Holocaust-Mahnmal, will Denkmäler für weitere Opfergruppen

taz: Frau Rosh, 1988 haben Sie das Mahnmal für die jüdischen Opfer des Holocaust initiiert. Es ist nun auf einem guten Weg. Andere Opfergruppen müssen bis heute auf zentrale Gedenkstätten warten. Der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma will daher vor dem Reichstag nochmals Unterschriften sammeln. Begrüßen Sie das?

Lea Rosh: Ob das sehr geschickt ist, weiß ich nicht. Denn der Zentralrat wird dabei auch viele Leute ansprechen, die explizit gegen ein Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma sind. Aber dass er sich zu Wort meldet, ist richtig.

Ist ein Mahnmal am Reichstag geeignet und notwendig?

Wir haben uns schon seit 1988 für ein eigenes Mahnmal ausgesprochen. Ob das an diesem Ort sein muss, kann ich nicht genau beurteilen. Ein großer Streit mit der Stadt Berlin, mit der CDU in diesem Falle, ist nicht sinnvoll. Die Idee, es muss in der Nähe des Denkmals für die Juden sein, halte ich für überspitzt.

Die CDU ist gegen eine so genannte Gedächtnismeile in Mitte. Stattdessen soll den Sinti und Roma am ehemaligen Konzentrationslager in Marzahn gedacht werden.

Marzahn ist nicht aus der Welt. Man kann die Sinti und Roma aber nicht gegen deren strikte Ablehnung dazu bringen, das wunderbar zu finden. Man müsste nach alternativen Standorten suchen. Ich habe überhaupt nichts gegen das Mahnmal am Reichstag. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, wie lange das dauern kann, wenn man das im Dissens plant. Gedächtnismeile ist eine falsche Etikettierung. Es gab nun mal verschiedenen Opfergruppe. Man wird nicht darum umhin kommen, sich in dieser Stadt daran zu erinnern.

Darunter fallen neben den Euthanasieopfern auch die Homosexuellen. Kommt es nicht automatisch zu einer Gedächtnismeile, wenn man jeder Opfergruppe einzeln gedenkt?

Wir wollten die Gruppen immer auseinanderhalten. Nicht um sie zu hierarchisieren, sondern um die eigenen Geschichten klar zu machen. Homosexuelle sind gefangen, gequält und ermordet worden. Aber es gab, Gott sei Dank. nicht die systematische Ermordung wie bei den Juden.

Bräuchte es nicht ein Gedenkstättenkonzept, um den unterschiedlichen Geschichten gerecht zu werden?

Ich war 1993 mit Edzard Reuter bei dem damaligen Innenminister Rudolf Seiters. Damals war schon klar, dass die Opfergruppen ein eigenes Gedenken bekommen werden. Man muss versuchen, das im Konsens hinzukriegen. Wer verantwortlich gewesen wäre für ein Konzept, weiß ich nicht.

Müsste die Politik nicht dieses Konzept erarbeiten, um Bedenken gegen ein Übermaß an Gedenken auszuräumen?

Soll sich doch mal Herr Diepgen hinsetzen und jemanden benennen. Prima, der ist doch der Regierende Bürgermeister von Berlin. Interview: GEREON ASMUTH