Desinformation und Sounds aus der Küche

■ Das schottische Label „Diskono“ präsentiert sich heute in der Galerie Hinterconti

Geh heute in einen Second-Hand-Laden. Begib Dich in die Abteilung mit den ganz besonders günstigen, um nicht zu sagen: billigen Platten. In die Ecke mit der dicksten Staubschicht auf dem Fußboden und den unangetastesten Covern in den Fächern. Jetzt schau Dich um. Unter Umständen steht neben Dir eines der umtriebigen Individuen des schottischen Labels Diskono und zieht verzückt eine obskure Platte nach der anderen aus den Fächern.

Diskono – da ist der Name mehr als nur Programm, denn dahinter steckt ein ganzes Set von Pamphleten: angefangen von wüsten Beschimpfungen dessen, was sich in Großbritannien und anderswo „Kultur“ nennt, bis hin zur aktiven Aufhebung der vermeintlichen Unterschiede zwischen Musik und Kunst. Gegründet hat sich das Kollektiv im Jahre 1994, als sich Barnes Advocaat (nennt sich jetzt Docktor), Joal Ongthorne (Ttocshagg Forfib) und Ruth Random beim Glasgow Art Carnival trafen und feststellten, dass sie Positionen und Interessen teilen.

Die bis dahin bevorzugten Ausdrucksweisen auf Leinwand und in Stein wurden ausgetauscht gegen Vinyl und selbstgebrannte CDs. Vor allem die 7-Inch-Veröffentlichungen sorgten für Aufsehen. Von verstörendem Elektronik-Noise von Projekten wie V/VM (Volume versus mass – noch so ein programmatischer Name) bis zu eingängigeren Beats und Bleeps von Boards Of Canada oder auch den schrägen Versionen des Hamburgers Felix Kubins ist alles im Programm, was man mit Konsolen so machen kann.

Parallel dazu gab Diskono das Internet-Magazin Mutantfiction heraus, mit dem sie eine Politik der Desinformation forcierten. Wer sich auf ihrer Mailing-List befand, bekam regelmäßig Nachrichten zugeschickt, deren Inhalte die Grenzen zwischen Wahrheit und Farce ausloteten, ohne sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Ähnlich verhält es sich auch mit von ihnen veranstalteten Konzerten: Wenn der eingeladene DJ repetitive Beats spielt, wird er schon mal des Saales verwiesen. Oder die noch am Nachmittag erworbenen Schätze aus dem Gebrauchtwarenladen werden dem Publikum zum Abspielen zur Verfügung gestellt, während von Seiten Diskonos mittels Power Mac und Mini-Disc dagegen animprovisiert wird. Beliebig? Nicht wirklich. Interessant? Auf alle Fälle.

Bei den unter anderem auch bei Diskono veröffentlichenden Alejandra & Underwood aus New York, jetzt aber in London und La Rioja, Spanien, lebend, handelt es sich um weniger konfrontative Zeitgenossen. Ihre eigene kleine Plattenfirma heißt Lucky Kitchen, und was dort so gebrutzelt wird, entstammt zwar ähnlichen Quellen: soeben gemachte Aufnahmen der Umgebung, die dann editiert, gecuttet und neu eingebunden werden. Aber die Ergebnisse schmeicheln dem Gehör schon eher, sind nett verpackt, zum Beispiel in bedruckten Servietten, und tragen Titel wie „Find The Hits (And Use Them)“, „The Children's Record“ oder „Family Audio“.

Lucky Kitchen geht es nicht wie Diskono um „Revolution for fun“, sondern um die kleinen Dinge des Lebens, die es so besonders machen. Aufnahmen ihrer Familienmitglieder spielen sie ebenso wie Fahrgeräusche und vorgelesene Geschichten immer wieder in ihre zumeist Beat-losen Tracks ein. Sie selbst bezeichnen ihre Arbeiten als „Modern Folk Music“. Und der Unterschied besteht lediglich darin, dass man sich beim Musizieren nicht mehr am Lagerfeuer versammelt, sondern am Rechner oder der Spielekonsole. Das ist weniger kommunikativ? Lass Dich von der glücklichen Küche vom Gegenteil überzeugen. Klaus Smit

heute, Galerie Hinterconti, Marktstraße 40a, 22 Uhr