Blubberndes Gold in „Little Texas“

■ Das Deutsche Erdölmuseum bei Celle dokumentiert die eigentümliche Geschichte des Öls in der Heide / Vom Öl-Rausch blieb im Dorf allein die DEA-Tankstelle

Texas und Öl und ganz weit weg, – denken Sie, als Erdöl-Laie. Dabei hatte auch Niedersachsen seinen Anteil am Erdöl-Rausch gehabt. Sein „Little Texas“ auf einem Flecken mitten in der Heide. Einen Boom um das schwarze Gold, das zwar nicht sprudelte, das aber den kleinen Flecken bei Celle über Jahre reich machte.

Wietze heißt das Dorf, das bis 1963 stolz den Titel „Wiege des Erdöls“ führte. Das 2.000 Bohrungen auf wenige Quadratkilometer zwängte und damit zeitweise satte 80 Prozent der deutschen Ölproduktion einfuhr. Ein Dorf, das ein 80 Kilometer langes Netz an Stollen unter seinen Feldwegen hertrieb, um näher an die verborgenen Schätze zu kommen. Und das binnen Jahrzehnten mit dem Ölrausch seine Einwohnerzahl von fünfhundert Bauernseelen auf einige tausend Ölarbeiter ver-x-fachte.

Das war früher. Heute sind vom schwarzen Goldreich nur noch magere Reste über. Genauer: vier Bohrlöcher. Altes Bohrgerät. Und ein Museum, das Deutsche Erdölmuseum, das die ruhmreiche Vergangenheit des Fleckens auf die Flächen von ein paar Fußballfeldern packt.

Rolf Wolter ist einer von den alten Wietzenern: Ein „Öl-Saurier“, sagt er selbst. Einer, der noch im Wietzener Ölfeld geboren wurde, in der „Raffinerie-Straße“ spielte, bis Großvater, Vater, Onkel und Anverwandte von den Bohrlöchern heimkamen. Und der – Familientradition – natürlich auch beim einzigen Groß-Arbeitgeber der Siedlung lernte. Heute zählt Wolter die Lebensjahre jenseits der Sechzig und ist eigentlich im Ruhestand. Genau wie das Ölfeld, das vom Staat 1963 in Rente geschickt wurde. Und das Wolter – inzwischen Reiseleiter für Touri-Trupps – bis heute nicht verlassen kann.

Ein schwerer Geruch ruht über den Bohrlöchern. Schwarze Flecken Teersand klumpen im nassen Grün zwischen den paar-meter-hohen Bohrtürmen, die dem Erdreich einst den blubbernden Schatz abtrotzten. Rings um die alte Förderindustrie wächst wieder die Heide. Der Stollen ist zugeschüttet. Und knapp 2.000 Bohrlöcher ebenfalls.

Dabei könnte der Flecken in der Heide heute noch fördern. Das schwarze Gold ans Tageslicht pumpen, das wie eh und je im Erdreich schlummert. Wenn nur die Kosten nicht wären. 1963 fielen die Import-Zölle, die die Tonne Öl fortan für erschwingliche 55 Märker ins Land brachten. Während Wietze noch für 105 Mark die Tonne bohrte und 180 Mark für die Tonne aus dem Stollen verlangen musste. „In Wietze“, so Wolter, „gingen die Lichter aus“. Nach mehr als 250 Jahren eifrigster Öl-Förderung.

Denn lange vor Texas schimmerte in Wietze 1652 zum ersten Mal Öl in einer Pfütze und rief die Ölsucher auf den Plan. Mit „Königlich Hannoverschem Bohrgerät“, einem Holzgestell mit Flachmeißel, ging man damals ans Werk. Und harrte den technischen Verfeinerungen: dem „System Raky“ zum Beispiel – der Bohr-Sensation gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Der erste richtige Turm, mit dem man tiefer und tiefer buddeln konnte. So dass man in Wietze 1899 zum ers-ten Mal „eruptiv“ fündig wurde. Es sprudelte, zwar nur für einige Wochen. Aber immerhin: „Wüste Szenen, wie in Klondike“ waren die Folge, erzählt Wolter. 35 Öl-Gesellschaften ließen die schwarzen Brunnen sprudeln. Jede bohrte sich gegenseitig das Öl ab.

In den Kriegen hatte Wietze Hochkonjunktur, musste den Verbrauch für die Kriegsflotte sicherstellen. 85 Prozent des Schweröls war mit Bohrtürmen nicht beizukommen. Weitverzweigte Stollen wurden unter die Siedlung getrieben, 400 Arbeiter unter Tage eingesetzt, um das Öl zu holen, das schließlich ein Drittel der kompletten Produktion ausmachte.

Acht Bauern, auf deren Grund und Boden die Quellen lagen, sind damals reich geworden. Heute zeugen nur noch das Schwimmbad und ein paar Backsteinvillen vom einstigen Ruhm der Heide. Die Eisenbahn, die 1903 extra nach Wietze gelegt wurde, hält längst nicht mehr. Vom ehemaligen Hauptsitz der „Deutschen Erdöl-Actiengesellschaft“ (DEA) ist nur noch die Tankstelle am Ortseingang und ein Forschungszentrum geblieben. „Heute ist Wietze Schlafstadt für Hannover“, meint Wolter.

Eins aber ist von Wietze geblieben – weltweit: Das Ölfass. „Das Wietzener Barrel“, erzählt Wolter stolz, „ist der Urvater des heutigen Barrels“. Dorothee Krumpipe

Deutsches Erdölmuseum Wietze, Tel.: 05146 – 923 40