Streit über Supergewerkschaft

Aus Angst um Posten und Status wollen viele ÖTV-Funktionäre der Gründung einer Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. nicht zustimmen. Endgültige Entscheidung wurde auf September vertagt. Die vier Partnergewerkschaften mahnen

Aus HamburgKAI VON APPEN

Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) steht vor der inneren Zerreißprobe. Der Beschluss des Hauptvorstandes, die Zustimmung zur Verschmelzung mit vier anderen Gewerkschaften zur Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft „ver.di“ auf den 27. September zu verschieben, hat in vielen ÖTV-Bezirken „blankes Entsetzen“ ausgelöst. Damit wird der Prozess zur ver.di-Gründung in Frage gestellt.

„Ein Scheitern von ver.di kommt einer Katastrophe gleich“, sagte gestern Hamburgs ÖTV-Bezirkschef Wolfgang Rose. Mit einem bundesweiten „Hamburger Appell“ wollen die fünf betroffenen Gewerkschaftschefs die ÖTV-Funktionäre doch noch überzeugen.

Eigentlich wollte ÖTV-Chef Herbert Mai am Donnerstag bei der Hauptvorstandssitzung in Bielefeld bereits ein positives Votum zur Verschmelzung mit den vier Partnern herbeiführen. Denn in der Vergangenheit war die Gewerkschaftsführung stets davon ausgegangen, dass die Basis der 1,5 Millionen Mitglieder starken Organisation auf dem außerordentlichen Kongress Anfang November der Auflösung der ÖTV mit der erforderlichen 80-Prozent-Mehrheit zustimmen würde. Doch nachdem Satzungsfragen und die Budgetierung schriftliche Formen angenommen haben, sind erhebliche Zweifel aufgekommen.

Besonders aus dem größten ÖTV-Bezirk Nordrhein-Westfalen II sowie aus Bayern, Baden Württemberg und Sachsen-Anhalt regt sich Widerstand der so genannten „Satzungsfetischisten“. Dabei geht es um Posten und Pfründe. Konfliktstoff sind vor allem der Zuschnitt der neuen ver.di-Bezirke und die Autonomie der 13 Fachbereiche.

So sollen die Fachbereiche mit eigenem Budget in Eigenregie arbeiten können und wären nicht den Direktiven der ver.di-Führung unterworfen. Auch soll es in der ver.di nur 100 Bezirke geben, was gerade bei Flächenländern zu gravierenden Neuordnungen der Bezirke führen würde.

Während Hartmut Limbeck, Bezirks-Chef von Nordrhein-Westfalen II, glaubt, dass durch die Vertagung bereits das Ende von ver.di auf dieser Grundlage besiegelt worden ist, geht Rose davon aus, durch massive interne Diskussionen das „Ruder noch rumreißen zu können“. „Ich werde alles daran setzen, dass in allen Gremien darüber gesprochen wird.“ Auch über mögliche Folgen eines Scheiterns: „Dann wird die ÖTV nicht mehr so sein, wie sie war“, mahnt Rose, „weil wir uns öffentlich als reformunfähig erwiesen haben.“ In Hamburg arbeiten die ÖTV und ihre ver.di-Partner schon seit Monaten betrieblich eng zusammen und haben gemeinsame Tarifkommissionen gebildet.