Gewaltige Spritzpistole

Die taz führt an die wahrhaft bösen Orte dieser Stadt, Teil 1: Die Alsterfontäne ist zirkulierender Abschaum  ■ Von Eberhard Spohd

Die schönste Art, in Hamburg anzukommen, ist mit dem Zug. Von Süden her führt der Weg über die Elbbrücken. Majestätisch ragen die Türme der Stadt über der urbanen Silhouette, die Deichtorhallen ducken sich links des Bahndamms im Licht der untergehenden Sonne. So eingestimmt freut sich der Reisende über den grandiosen Anblick, der ihn erwartet, wenn er die Fahrt per S-Bahn über die Lombardsbrücke fortsetzt. Rechter Hand weitet sich die Außenalster, gegenüber strahlen Jungfernstieg und Rathaus hinter der Binnenalster. Und auf dem Wasser-Viereck sprötzelt die Alsterfontäne.

Kennen Sie Genf? Was für ein Springbrunnen! Mächtig (140 Meter) steigt der Strahl über dem innerstädtischen See auf. Ein gewaltiges Bild, wenn sich die Wassermassen in Kaskaden aufbauen, sich stets wandelnd nach oben winden, um zusammenstürzend ein Symbol des ewigen panta rhei bilden. Der Mensch erstarrt und wird sich für Sekunden seiner Kleinheit bewusst. Was für ein Panorama.

Kennen Sie Hamburg? Seit dem 20. März, 12.13 Uhr, sprudelt die Fontäne wieder über dem aufgestauten Binnenteich. Täglich von neun Uhr morgens bis Mitternacht wird das Wasser durch eine hässliche Plattform gepumpt. Rund 700.000 Kubikmeter Wasser werden bis in den November hinein, wenn die Anlage in ihren unverdienten Winterschlaf verbracht wird, durch den Plafond gegurgelt sein. Eineinhalb Mal wird der Inhalt der Binnenalster umgewälzt und mit Sauerstoff versorgt. Als ob die paar Fische das nötig hätten. Eine Höhe von 60 Metern soll der Strahl erreichen. Das glaube, wer will. Der stetige Wind in der Hansestadt fegt diesen Größenwahn weg. Die Alsterfontäne spritzt nicht richtig hoch, nicht richtig weit, und bereits in der Mitte zerfasert sie. Das Afterbild eines Springbrunnens.

Der Wind ist auch am schlimmsten Nebeneffekt beteiligt: Die zu feinen Tröpfchen verwehten Wassermassen werden, je nach herrschendem Wind, in Richtung Neuer Jungfernstieg oder Jungfernstieg, meist jedoch in Richtung Ballindamm verblasen. Dort benetzt die durchgequirlte braune Plörre promenierende Hamburger und Touristen gleichermaßen. Aber was macht der Hanseat? Er freut sich über die willkommene Erfrischung, anstatt die Pusteln und anderen allergischen Reaktionen auf seiner Haut korrekterweise der Fontäne zuzuschreiben. Läge Hamburg häufiger unter Ostwindeinfluss, dann hätten der feine Übersee-Club oder das Hotel Vier Jahreszeiten den Einsatz dieser gigantischen Spritzpistole längst untersagen lassen.

Die Vertreter der Stadt haben gleich erkannt, dass der zirkulierende Abschaum der Alster der Hansestadt keinen Ruhm bringt und unterstützen den Betrieb der Umwälzpumpe nicht mit einer müden Mark. So muss Fontänen-Vater Carlheinz Hollmann immer wieder auf Sponsorensuche gehen. Die 70.000 Mark Stromkosten übernimmt in diesem und den kommenden Jahren die Hapag Lloyd AG. Ach, kümmerte sie sich doch lieber um Reisende, die sie weit weg von der Alsterfontäne bringt.